Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Legende der Angst

Legende der Angst

Titel: Legende der Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
Vom Netzwerk:
zitterte sie nicht länger vor Kälte. Sie war nicht einmal mehr sicher, ob sie noch atmete.
    Sie gingen in ihr Schlafzimmer und legten sich nebeneinander auf das Laken. Er sah sie an, und sie erwiderte seinen Blick. Unendliche Tiefe und Weite lag in seinen Augen; sie konnte darin etwas sehen, das in eine andere Dimension gehörte. Sie erkannte ihre eigene Wandlung zur Andersartigkeit in ihnen, und das sogar noch, als sie ihre Augen schloß und alles um sie herum dunkel wurde.
    Sie war im Geist der unsterblichen Welt, aber sie war noch auf dieser Welt. Ihr Körper war losgeschickt worden, um Nahrung zu suchen. Ihr Körper, nicht ihre Seele. Sie verfügte nicht über letzteres und brauchte es auch nicht. Sie hatte sich den Geist der Welt verinnerlicht, und die Welt war immer hungrig. Und während sie durch die schwarze Unendlichkeit schwebte, träumte sie davon, ihren unersättlichen Hunger mit dem Fleisch jener zu stillen, die sie ihre Brüder und Schwestern genannt hatte, die nun jedoch Feinde waren und die es zu vernichten galt.
    Nach einiger Zeit fühlte sie Wind auf ihrem Gesicht. Die Sonne, ein riesiger Feuerball am Himmel, stach ihr in die Augen. Alles erschien ihr fremd, und doch kannte sie diesen Ort. Ihr Körper war hier aufgewachsen. Das war die Erde, und das war ihr Zuhause gewesen, bevor die Welt sie verschlungen hatte. Daß sie hierher zurückgekehrt war, erfüllte sie nicht mit einem Gefühl der Wehmut oder etwas Ähnlichem, sie verspürte nur den Wunsch, ihren Hunger zu stillen.
    Von weitem sah sie menschliche Wesen auf sich zukommen. Sie lächelte und winkte ihnen zu, als sie von dem Gefährt abstieg, das sie in die Welt gebracht hatte. Sie sprach mit ihnen, und sie waren froh, sie wiederzusehen. Sie dachten, sie wäre monatelang fortgewesen, um die Welt zu erkunden. Sie wußten nicht, daß sie sich während der ganzen Zeit, die sie sich unterhielten, fragte, wie ihre Gegenüber wohl schmeckten. Später, wenn es erst dunkel geworden war, würde sie es wissen.
    Die Sonne schien zu hell. Das Licht machte sie müde.
    Sie sehnte sich danach, irgendwo Schutz zu suchen und zu schlafen.
    Und zu träumen.
    Sie träumte viele Träume. Das war alles, was es im Geist der Welt gab. Ein Alptraum folgte auf den anderen.
    Du mußt nicht wieder aufwachen, flüsterte unaufhörlich eine Stimme.
    Doch immer wieder erwachte ihr Körper, und dann machte sie sich auf, Rache zu üben.
    Zeit verging. Nächte, in denen Hunger gestillt, Tage, an denen falsches Spiel gespielt wurde. Nächte, die der Jagd gehörten. Und dann schließlich Tage des Versteckens, der Flucht. Denn schon bald waren alle engen Freunde des Körpers, in dem sie wohnte, tot und verspeist. Oder sie taten das gleiche wie sie: vor denen davonlaufen, die den Verdacht geschöpft hatten, daß die weit entfernte Welt kein Ort war, an dem man sich ein zweites Zuhause schaffen konnte, sondern daß man dort einen Tod starb, der niemals endete.
    Sich zu verstecken erwies sich als zunehmend schwieriger, da sich der Körper mit der Zeit so verwandelte, daß sein Anblick jeden mit Entsetzen erfüllte. Dennoch war der neue Körper dem alten gegenüber in vielerlei Hinsicht überlegen. Sie konnte irgendwo sein und etwas essen und kurze Zeit später schon viele Meilen weit weg sein. Allerdings veränderte sie sich auch in einer Art und Weise, wie sich nichts auf der Erde sonst wandelte. Sie konnte sich nicht länger selbst verstecken, und auch nicht das, was sie antrieb. Nahrung zu finden gestaltete sich schwieriger, dann nahezu unmöglich. Sie wurde schwächer. Die Sonne wurde unerträglich, und sie stampfte sie tief in die Erde hinein. Das jedoch erwies sich als Fehler, weil sie sich selbst mit in die Erde stampfte. Mit einer Handvoll derer, die sie zu ihresgleichen gemacht hatte, war sie in einer schwarzen Höhle gefangen. Menschen in roten Uniformen drangen zu ihnen vor. Sie hielten Waffen in den Händen, aus denen sie brennende rote Strahlen abfeuerten. Einer derer, die waren wie sie, geriet ins Kreuzfeuer der Waffen. Sein Kopf wurde von einem der Strahlen abgetrennt, die alles zerstörten, was in ihre Bahn geriet. Dann wurde ein anderer von denen umgebracht, die so waren wie sie, dann noch einer, bis schließlich nur noch sie allein übrig war. Die Menschen kreisten sie ein, in ihren Augen lag ein triumphierender Ausdruck. Aber sie bettelte nicht um Gnade. Sie war ein Teil der anderen Welt, und diese würde ewig leben. Weitere Menschen würden von dem dritten

Weitere Kostenlose Bücher