Legende der Angst
Bisher hatte Angela die Dinge noch nie unter diesem Aspekt gesehen, dabei hätten ihr die Zusammenhänge doch regelrecht ins Auge springen müssen. »Demnach haben wir es mit zwei möglichen Komponenten zu tun, die krank machen können: einmal die magnetische Strahlung, zum anderen die Mikroorganismen.«
»Genauso ist es«, bestätigte Spark.
»Ist es möglich, daß sie zusammenspielen?«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Sie sagten, Wasser, das starken magnetischen Kraftfeldern ausgesetzt war, sei schlecht für Pflanzen und Fische. Kann es sein, daß diese ungewöhnlichen Mikroorganismen besonders gut in einem so angereicherten Wasser gedeihen?«
»Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht, aber ich wage zu bezweifeln, daß es so ist.«
»Warum?«
»Weil alles, was lebt, dieses Wasser nicht zu mögen scheint.«
»Alles, was auf dieser Erde lebt«, entgegnete Angela.
Spark fühlte sich sichtbar unbehaglich. »Es würde mir sehr widerstreben, von dieser Abhängigkeit auszugehen.«
»Warum? Wenn der Mikroorganismus von einem Planeten stammt, der explodiert ist, dann ist er auf einem Stück Gestein – oder was auch immer – genau dieses Planeten hierher gelangt. Vielleicht war die gesamte Oberfläche des fünften Planeten ein Magnetfeld. Ja, genauso ist es wohl gewesen.«
Ihre verwegene Schlußfolgerung traf Spark unvorbereitet, aber er konnte nicht umhin, beeindruckt zu sein. »Sie klingen so überzeugt, als seien Sie dort gewesen.« Er sah auf seine Uhr. »Ich wünschte, wir könnten uns noch länger unterhalten, aber einer meiner Studenten wird in wenigen Minuten hier sein. Bevor Sie jedoch gehen, möchte ich Sie bitten, mir zu beschreiben, was auf der Point High vor sich geht.«
Angela stand auf und dachte eine Weile nach. Sie hatte geglaubt, Mary sei plötzlich übergeschnappt – auch wenn sie tatsächlich Blutspuren in einer Spalte im Boden des Lagerhauses gefunden hatte. Auch noch, als Jim sein Blut mit ihrem gemischt und damit in ihr einen Hunger auf rohes Fleisch geweckt hatte, der unersättlich erschien. Und wenn sie darüber nachdachte, kam sie zu dem Schluß, daß rohes Fleisch sicher eisenhaltiger war als fast alles andere an Lebensmitteln. Was hatte ihr Körper vor? Sie in ein riesiges, polarisiertes Exemplar des fremdartigen Mikroorganismus zu verwandeln? Es fühlte sich jedenfalls ganz so an.
Angela war inzwischen davon überzeugt, daß alles, was Mary behauptet hatte, der Wahrheit entsprach.
»Bei uns laufen einige Monster frei herum«, sagte sie Professor Spark. »Und ihre Zahl nimmt täglich zu. Vielleicht werde ich selbst zu einem. Ich hoffe zwar, daß es nicht so ist, aber ich habe Essensgelüste, wie sie für ein Mädchen in meinem Alter mehr als ungewöhnlich sind. Im Augenblick zum Beispiel bin ich so hungrig, daß ich Sie bei lebendigem Leibe verschlingen könnte. Ich weiß, daß Sie das für verrückt halten, aber denken sie daran, welche Legenden sich um die beiden Seen ranken. Streichen Sie die Geschichten über die KAtuu und die Kalair nicht zu voreilig aus Ihrem Gedächtnis. In ihnen steckt eine Menge Wahrheit.«
Spark sah sie fassungslos an. »Wollen Sie damit sagen, daß Sie auch krank sind?«
Angela bog den Kopf zurück und lachte. »Letzte Nacht habe ich geträumt, ich sei eine Astronautin, die nach einem Besuch auf dem fünften Planeten zur Erde zurückkehrte, nachdem sie alle ihre besten Freunde verspeist hat. Dann habe ich mich in ein riesiges, fledermausähnliches Monster verwandelt und wurde von Männern mit Lasergewehren gejagt. Klingt ziemlich durchgeknallt, oder? Man sieht das Ganze jedoch vielleicht in einem anderen Licht, wenn man weiß, daß mein Freund Mitglied des Footballteams der Point High ist. Er ist der Quarterback. Er hat eine Menge von dem schlechten Wasser getrunken. Ich denke fast, daß er der Kern des ganzen Übels ist. Sein Name ist Jim Kline, und er ist der Typ, den Mary Blanc zu töten versucht hat, bis die Polizei sie stoppte. Und ich habe der Polizei auch noch dabei geholfen, um Himmels willen! Ich habe Jim das Leben gerettet. Aber wissen Sie was?« Sie beugte sich zu Spark vor. »Jetzt wünsche ich, ich und die anderen hätten Mary nicht daran gehindert, den Bastard zu erschießen.«
»Angela…«, begann Spark.
»Danke, daß Sie mir Ihre Zeit geopfert haben, Professor«, unterbrach Angela ihn und wandte sich um. »Ich muß los. Ich muß etwas essen.«
Sie rannte aus dem Zimmer, und es war nur gut für Spark, daß er nicht
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