Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
Josef.
Eli winkte ab und konzentrierte sich stattdessen auf das, was sie im Tunnel erwartete. Vielleicht einen Meter hinter dem Eingang lehnte ein Wandstück, das genau dem entsprach, das er gerade zerbrochen hatte. Daran war eine kleine weiße Karte befestigt. Eli packte die Karte. Sie war nicht bedruckt und verriet nichts über ihren Besitzer. Ein einziger Satz in ordentlicher, männlicher Handschrift zog sich über das Papier.
Ich dachte, das wirst du vielleicht brauchen .
Eli fluchte leise, bevor er die Karte in eine Tasche schob. »In Ordnung«, sagte er. »Auf geht’s.«
»Was war das?«, fragte Josef wieder. »Ist das eine Falle? Ist es sicher?«
Eli warf ihm einen ungläubigen Blick zu. »Alles ist sicherer als das hier! Schaff deinen Hintern in den Tunnel! Und pass mit dem Wandstück auf. Ein Schlag an der falschen Stelle lässt es zerbröseln.«
Ohne weiteres Zögern kletterte Josef in den Tunnel. Er drückte sich an die andere Seite des schmalen Gangs, um sich vorsichtig an dem gefälschten Stück Wand vorbeizudrängen. Nico folgte ihm, tief in ihren Mantel vergraben. Eli wartete noch einen Moment. Als sie hindurch waren, grub er eine große weiße Visitenkarte heraus, in die ein kunstvolles, kursives M eingestanzt war.
»Oberste Regel der Diebeskunst«, murmelte er leise. »Jede Gelegenheit nutzen.«
Damit warf er die Karte mitten in den Raum. Sie flog durch die Luft und landete am Fuße des gefälschten Löwen von Ser. Eli nickte einmal, dann tauchte auch er in den Tunnel ein. Auf Händen und Knien kroch er vorwärts, dann drehte er sich und hob äußerst vorsichtig das Stück Pseudowand an. Hinter ihnen hatten sich die staubigen Überreste der ersten Pflasterimitation bereits mit dem Staub von der Decke vermischt, sodass sie nicht mehr zu erkennen waren. In dem wohligen Wissen, dass niemand ihnen folgen würde, zumindest nicht sofort, verschloss Eli sanft den Eingang zum Tunnel. Das Stück Wandimitation passte, wie erwartet, perfekt, und der Tunnel wurde in Dunkelheit getaucht. Nachdem er so ihren Rückzug gedeckt hatte, drehte Eli sich um und kroch hinter Nico und Josef den Geheimgang entlang.
Sechs Meter später endete der Tunnel einfach in der Decke eines Weinkellers. Josef und Nico warteten bereits auf ihn, als Eli nach unten sprang, und Josef machte sich daran, die Deckenbretter wieder an ihre Stelle zu setzen. Kein Hinweis darauf blieb zurück, dass man sie je verschoben hatte.
Eli wartete einen Moment lang vornübergebeugt, bis er wieder zu Atem gekommen war. Als er genug Staub gehustet hatte, um eine Mörtelfabrik zu eröffnen, richtete er sich auf. Dann zog er seinen protzigen roten Mantel ab, der jetzt eher ein stumpfes Grau mit rosa Flecken zeigte.
»Kommt«, sagte er, während er den zusammengerollten Mantel hinter ein altes Weinfass schob. »Lasst uns verschwinden.«
»Wir verschwinden also?«, meinte Josef, der sich gerade den Staub vom Hemd schlug.
»Nö. Wir holen unsere Fenzetti-Klinge.«
Josef starrte ihn ungläubig an. »Bist du verrückt? Der Herzog weiß jetzt, dass du hier bist. Das Spiel ist aus. Uns bleibt nur noch, wenigstens zu versuchen, gesund aus der Sache rauszukommen. Außerdem weißt du ja nicht mal, wo der andere Dieb ist. Wie willst du ihn finden, wenn das gesamte Herzogtum da draußen nach dir sucht?«
»Ich weiß, wie ich ihn finden kann«, erklärte Eli, nahm seine Perücke ab und verstaute den staubigen blonden Mopp sorgfältig in seiner Tasche, um ihn später zu säubern. »Er hat Fron auf keinen Fall schon verlassen.«
»Wieso nicht?«, fragte Josef. »Du hast gesagt, er wäre klug. Hier zu verschwinden erscheint mir ziemlich klug.«
»Ah«, meinte Eli mit einem Lächeln. »Aber du vergisst die oberste Regel der Diebeskunst.«
»Welche?« Josef seufzte. »Du hast Hunderte davon.«
»Diese ist wirklich wichtig.« Eli trat an die Kellertür und drückte sein Ohr gegen das grobe Holz. »Der letzte Ort, an dem ein Mann sucht, ist unter seinen eigenen Füßen.« Er zögerte noch einen Augenblick mit angehaltenem Atem, dann öffnete er mit schwungvoller Geste die Tür. »Nach euch.«
Josef stampfte aus dem Raum, gefolgt von Nico. Aber als sie an ihm vorbeikam, packte Eli den Saum ihres Ärmels. Sie sah mit immer noch verdächtig hellen Augen zu ihm zurück.
Eli packte den Mantel fester. »Es tut mir leid, dass ich vorhin so grob war, aber ich habe es ernst gemeint. Ich weiß, dass du uns gerettet hast, aber du kannst nicht herumlaufen und Geistern
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