Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
richtete.
Der Schwertkämpfer beachtete sein Publikum nicht im Mindesten. Trotz der kühlen Morgenluft trug Josef kein Hemd. Er hatte auch seine Verbände abgenommen, und die Wunden von seinem Kampf mit Coriano zogen erhabene rote Linien über seine bleiche Haut. Josef hielt das Herz des Krieges in den Händen, und die schwarze Klinge erzeugte ein Loch im Morgensonnenschein. Er hielt das Schwert vor sich, während seine Armmuskulatur von dem Gewicht zitterte, als hielte er es schon sehr lange Zeit so. Dann riss Josef die Klinge ohne Vorwarnung zurück und schwang sie. Das riesige Schwert bewegte sich schnell wie der Blitz, fast zu schnell, als dass Elis Augen es hätten verfolgen können. Die Klinge raste auf den Stamm eines jungen Baumes zu. Direkt vor dem Aufprall stoppte die Waffe, begleitet vom Pfeifen der verängstigten Luft. Die stumpfe, mit Kerben überzogene Schneide war nur eine Haaresbreite von der glatten Rinde des Bäumchens entfernt. Der Baum knirschte und zitterte, sodass winzige, weißgrüne Blätter herabfielen und den bereits bestehenden Haufen an seinem Stamm noch vergrößerten.
»Gut, dass Slorn auf der anderen Seite ist«, sagte Eli, als er sich neben Nico setzte. »Ich glaube nicht, dass es ihm gefallen würde, dass du seine Bäume blattlos ängstigst.«
Josef führte das Herz wieder in die erste Position. »Tägliches Training ist Bedingung für wahre Fechtkunst.«
»Sehr tiefsinnig«, meinte Eli. »Aber kannst du nicht an etwas weniger Erregbarem trainieren?«
Josef senkte sein Schwert und sah ihn an. »Macht es dir etwas aus?«
Eli zuckte mit den Schultern und lehnte sich auf dem warmen Stein zurück, um zu beobachten, wie Josef sich auf den nächsten Schlag vorbereitete. Eli blieb nicht verborgen, dass die Wunden Josef zu behindern schienen, sobald er sich bewegte. Obwohl der Schwertmann niemals zusammenzuckte oder andere Zeichen von Schmerz zeigte, lag doch ein gewisses Zögern in seinen Bewegungen, wann immer er den Arm beim Schlag zu weit streckte. Auch das leise Stocken seiner Atmung sorgte dafür, dass Eli unwohl zumute wurde.
»Josef«, meinte er zögerlich, »wir sind noch mindestens einen Tag hier; warum machst du nicht mal Pause? Genieß die Umgebung oder was auch immer!«
»Ich genieße sie doch«, sagte Josef; wieder schwang er sein Schwert in Richtung des armen, tief verängstigten Baumes.
»Warum trainierst du überhaupt so hart?«, fragte Eli. »Lassen die meisten Schwertkämpfer alte Wunden nicht erst einmal heilen, bevor sie sich darauf vorbereiten, sich die nächsten einzufangen? Du hast Coriano geschlagen. Kannst du nicht einfach mal lockerlassen?«
Josef hielt mitten im Schlag inne und stieß das Herz des Krieges in den sandigen Boden.
»Eli«, sagte er und lehnte sich schwer auf den Knauf des Schwertes, »weißt du, wie ich Coriano geschlagen habe?«
Ein wenig betroffen riet Eli: »Total und absolut?«
»Ich habe das Herz eingesetzt«, antwortete Josef und nickte in Richtung der Klinge. »Also habe ich verloren, obwohl er tot ist und ich am Leben. Es war das Herz, das ihn geschlagen hat, nicht ich.«
»Aber das Herz kann sich ohne dich nicht bewegen«, betonte Eli.
»Verwechsle die Macht des Herzens nicht mit meinem Können«, erwiderte Josef bitter. Er richtete sich auf, zog die Klinge aus dem Sand und nahm wieder die erste Position ein. »Mein gesamtes Leben lang hatte ich ein Ziel: mich so weit zu treiben, wie es nur möglich ist. So stark zu sein, wie ich nur sein kann. Wenn ich das Herz all meine Kämpfe für mich gewinnen lasse, wo ist der Sinn darin, überhaupt ein Schwert anzufassen?«
Diese Frage erwartete keine Antwort, und Eli bot auch keine an. Nachdem er seinen Standpunkt dargelegt hatte, richtete Josef seine Aufmerksamkeit wieder auf die Klinge und bereitete sich auf den nächsten Schlag vor. Eli erkannte, dass jedes weitere Wort überflüssig war, schob die Hände in die Taschen und wanderte auf der Suche nach einem Frühstück zurück zum Haus.
Eine Stunde später, nachdem er gebadet und angezogen war und sich einen Teller mit Früchten, Brot und allem anderen aus Slorns Vorratskammer zusammengestellt hatte, kamen Josef und Nico endlich zurück. Das Mädchen setzte sich auf einen der Stühle an der Wand, aber Josef ging direkt durch die Küche zu einem großen Wasserfass, während er sich im Vorbeigehen einen Eimer aus dem Regal schnappte. Er versenkte den Eimer in dem Fass, füllte ihn bis zum Rand mit kaltem Wasser, holte einmal tief
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