Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
»Hat das Mädchen gestern einen Zentimeter vergessen?«
»Dieses Maß kann man nicht mit einem Meterstab nehmen«, sagte Slorn. »Dieser Mantel versteckt nicht nur Nicos Körper; er versteckt auch die Beschaffenheit ihrer Seele und das, was darin lebt. Dafür muss ich Nico in die Berge mitnehmen.« Seine dunklen Augen glitten zu Josef. »Allein.«
»Warum?«, fragte Josef, während seine Hand zum Knauf des Herz des Krieges glitt. »Was braucht Ihr, was Ihr nicht hier tun könnt?«
»So lautet die Bedingung«, gab Slorn zurück. »Wenn sie Euch nicht gefällt, könnt Ihr gehen.«
Josef wirkte, als wäre ihm sehr unbehaglich zumute. Gerade wollte Eli etwas sagen, um die Spannung zu brechen, als Nico mit einem lautlosen Schritt ihrer Lederstiefel auf dem harten Sand vortrat. »Ich werde gehen.«
Eli blinzelte überrascht. »Bist du dir sicher?«
Nico warf ihm kurz über die Schulter einen stechenden Blick zu, der lauter als Worte »natürlich« sagte, bevor sie sich an Slorns Seite stellte. Der bärenköpfige Mann nickte und wandte sich an Pele. »Bring das« – er deutete auf den Stapel zu seinen Füßen – »in meine Werkstatt. Eli, du und dein Schwertkämpfer, ihr könnt den Rest zurück ins Lager räumen.«
Eli starrte ihn mit hängendem Kiefer an. »Welcher Teil der Abmachung beinhaltet, dass wir die Drecksarbeit machen?«
Aber Slorn hatte sich bereits umgedreht und ging auf die Wälder zu. Nico folgte ihm dicht auf den Fersen. Pele grinste nur und fing an, die ausgewählten Materialien einzusammeln. Einen Moment später machte sich auch Josef daran, Dinge aufzuheben. Als klar wurde, dass er aus dieser Sache nicht rauskommen würde, seufzte Eli und fing an, sich Stoffballen in die Arme zu legen, während er leise über Formmagier und den schrecklichen Niedergang der Dienstleistung meckerte. Josef allerdings ignorierte ihn. Der Schwertkämpfer sammelte alle Garnrollen und Stoffstücke ein, ohne wirklich auf das zu achten, was er aufhob. Seine Aufmerksamkeit war auf die Bäume gerichtet, hinter denen Nico und Slorn im Schatten des Waldes verschwunden waren. Nichts, was Eli sagte, konnte ihn davon ablenken.
Nico und Slorn bewegten sich geräuschlos durch den Wald. Sie folgten keinem Weg, aber sie brauchten auch keinen. Die Bäume teilten sich für sie, und die Äste der jungen Laubbäume knarzten, als sie sich für sie hoben. Slorn nickte ihnen im Gehen dankend zu. Die Bäume raschelten als Antwort, verstummten aber, sobald Nico sie passierte.
Sie gingen schweigend, bis sie den Fuß eines steilen, mit Blättern übersäten Hanges erreichten. Dort fing Slorn an zu klettern. Seine schweren Stiefel bewegten sich sicher über den glitschigen Boden. Nico folgte ihm vorsichtiger und grub ihre Hände in das feuchte Laub, um nicht auszurutschen. Sie kletterten lange Zeit, und je höher sie kamen, desto mehr veränderten sich die Bäume. Die schlanken Eichen und Birken verschwanden und machten Platz für schwerere, dunklere Bäume, die Nico nicht erkannte. Sie klammerten sich in Knoten aus Wurzeln und Steinen an den Hang, ragten weit in den Himmel und verdeckten mit ihren schwarzen Blättern das Sonnenlicht, bis der Boden nur noch aus einem düsteren Schattenmuster bestand.
Während sie in der Dunkelheit weiterkletterten, wurde der Drang, durch die Schatten vorauszueilen, immer stärker. Warum, flüsterte etwas in Nico, sollte sie wie ein Tier kriechen? Sie hätte inzwischen schon zehn Mal auf dem Gipfel sein können. Aber Nico drängte das Gefühl zurück. Solche Gedanken waren gefährlich. Schatten waren das Habitat des Dämons, und sich durch sie zu bewegen, selbst auf einer so kurzen Strecke, sorgte immer dafür, dass sie sich selbst wie ein Schatten fühlte. Ohne ihren Mantel war es allzu einfach, die Konzentration zu verlieren und zu vergessen, die Dunkelheit wieder zu verlassen. Schatten machten es dem Ding in ihr einfacher, an Orte vorzudringen, die es nicht sehen sollte, die Stellen in ihrem Kopf zu erreichen, an denen sie ihre Menschlichkeit hortete. Ein kaltes, klammes Gefühl breitete sich in ihr aus. Nico schüttelte den Kopf und konzentrierte sich während des Aufstiegs mit aller Macht auf einen Punkt zwischen Slorns Schulterblättern. Um bei Josef zu bleiben, um menschlich zu bleiben, musste sie ihren Geist klar und scharf halten. Es würde nicht mehr lange dauern. Sie würde sich anschauen, was Slorn ihr zeigen wollte, und dann zurückgehen. Einfach. Sie wiederholte das Wort immer wieder,
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