Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
gerade mal so groß wie sie. Sie hatte gewusst, dass er einen Teil seiner Größe opfern musste, um in ihr zu leben, aber es war trotzdem ein Schock zu sehen, wie sehr der riesige Wasserball geschrumpft war. Trotzdem schien Mellinor von seinem neuen Format nicht beunruhigt. Er schwebte ruhig in der Luft und drehte sich langsam, um die Magier auf den Tribünen zu beobachten, die ihn offen anstarrten. Je mehr sie gafften, desto heller wurde das Licht im Wasser, und Miranda hatte den deutlichen Eindruck, dass Mellinor trotz seiner reduzierten Größe immer noch der größte Geist war, den die meisten von ihnen je gesehen hatten. Und der Wasserball wusste das.
Banage lehnte sich über die Balustrade. »Ihr seid Mellinor«, fragte er fast zögerlich. »Der Große Geist des Binnenmeeres?«
»Das war ich.« Mellinors Stimme klang wie das Brechen einer riesigen Welle. »Aber mein Meer hat schon lange Gras und Bäumen Platz gemacht, und so bin ich jetzt Mellinor, gebunden an Miranda.«
Auf diese Aussage stürzte sich Hern sofort. »Gebunden? Ihr meint, durch einen Eid gebunden?«
Mellinor schenkte ihm etwas, was unter Wassergeistern wohl als böser Blick durchging. »Formalitäten sind sinnlos. Ich habe ihr Angebot von Zuflucht und Versorgung im Austausch gegen meine Dienste angenommen, unter der Voraussetzung, dass ich sie jederzeit verlassen kann, wenn es mein Wille wäre. Doch das wünsche ich im Moment nicht.«
»Also«, hakte Hern nach, ohne sich um Mellinors Abneigung gegen sich zu kümmern, »hat sie Euch vor die Wahl gestellt, zu dienen oder … was?«
Er ließ die Frage in der Luft hängen, und Mellinors Wasser wirbelte. »Ich sehe, wo das hinführen soll, Mensch«, grollte der Wassergeist. »Ich bin nicht gezwungen, dir zu antworten.«
»Aber Eure Herrin ist es«, sagte Hern. »Beantwortet die Frage: dienen oder was?«
Miranda empfing ein fragendes Gefühl von Mellinor. Sie nickte, und mit einem wässrigen Seufzen antwortete der Große Geist. »In das Meer zurückzukehren. Als ich von dem Versklaver befreit war, habe ich versucht, mein Land wiederzugewinnen. Miranda Lyonette und Eli Monpress haben mich aufgehalten, weil es den Tod von Millionen von Geistern und Tausenden eurer Art bedeutet hätte. Monpress beabsichtigte, mich zurück ins Meer zu schicken, und da ich besiegt war, wäre ich gegangen. Es war Miranda, die ihn aufhielt. Hätte sie mir nicht den Eid der Spiritisten angeboten, wäre ich in diesem Moment schon verloren, und meine Seele wäre unter den Wellen zu nichts verlaufen. Der Dienst an einem guten Meister ist ein Preis, den ich gern zahle, um diesem Schicksal zu entkommen.«
Miranda strahlte das glühende Wasser an, aber Herns selbstgefälliges Lächeln vertiefte sich noch.
»Also«, meldete er sich wieder zu Wort. »Nur, damit ich das richtig verstehe: Euch wurde die Wahl zwischen dem Tod durch Monpress’ Hände und dem Dienst an Spiritistin Lyonette gelassen?«
»Mir gefällt nicht, wie du das ausdrückst«, rumpelte Mellinor. »Aber wenn du darauf bestehst, eine komplexe Situation auf die grundlegendsten Vorgänge zu reduzieren, dann ja, rein technisch gesehen ist das korrekt.«
Hern drehte sich zu den Sitzreihen voller Spiritisten um und breitete weit die Arme aus. »Auch wenn man es kaum betonen muss«, sagte er eindringlich, »möchte ich doch alle Anwesenden an die erste Regel dienender Geister erinnern, wie sie im Gründungskodex unseres Ordens steht: ›Die Dienste eines Geistes erwirbt man allein durch die Wahl des Geistes.‹ Die Wahl, meine Freunde. Die informierte, freie Wahl eines Geistes ist der Grundstein aller Magie des Geisterhofes. Was in dieser Nacht in Mellinor geschehen ist, war keine Wahl. Wir haben bereits eine Bezeichnung für den Zustand, wenn es nur die Wahl zwischen dem Tod und dem Dienst gibt.« Sein Gesicht verzog sich zu einer angewiderten Grimasse. »Sklaverei. Spiritistin Lyonette und der Dieb Monpress haben Mellinor in dieser Nacht in eine Situation gebracht, aus der es nur einen Ausweg gab. Obwohl er den Eid geschworen hat, ist Mellinor nicht aus freiem Willen in ihre Dienste getreten, sondern nur deswegen, weil ihm keine andere Wahl blieb.« Für einen Moment schwieg Hern bedeutungsschwer, um diese Tatsache einsinken zu lassen. »Obwohl es nicht der grundsätzlichen Definition entspricht«, sprach er schließlich weiter, »denke ich, dass wir uns alle darauf einigen können, es als Versklavung zu bezeichnen.«
»Seid Ihr dämlich?«, schrie Miranda
Weitere Kostenlose Bücher