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Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes

Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes

Titel: Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Aaron
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Theaterstück, auch wenn er kurz aufsah, um Miranda ein Lächeln zu schenken. Sie tat ihr Bestes, es zu ignorieren, und konzentrierte sich stattdessen auf Meister Banage. Doch zum ersten Mal schenkte ihr der Anblick ihres Mentors keinen Trost. Selbst vor dem Schneeweiß seines Kragens wirkte sein Gesicht fahl und ausgezehrt. Zum ersten Mal wirkten seine Haare mehr grau als schwarz, und als ihre Blicke sich trafen, waren seine blauen Augen müde und voller Trauer. Hätte sie noch Hoffnung in Bezug auf das Urteil gehabt, wäre sie in diesem Moment gestorben. Doch trotzdem ging sie hoch aufgerichtet und stolz zum Podium, während Gin ihr folgte wie schweigender, silberner Nebel.
    »Spiritistin Lyonette«, sage Banage, als sie die Stufen erklommen und ihren Platz auf der Kanzel eingenommen hatte. »Ihr habt die Anschuldigungen gehört, die gegen Euch vorgebracht wurden, und Ihr habt Eure Antwort gegeben. Euer Fall wurde von den leitenden Mitgliedern des Geisterhofes diskutiert, und wir haben per Mehrheitsentschluss eine Entscheidung getroffen. Seid Ihr bereit, Euer Urteil zu hören?«
    Miranda umklammerte das Messinggeländer, das die Kanzel umgab. »Das bin ich.«
    Banage sah auf den Tisch vor sich. »Spiritistin Lyonette, diese Versammlung befindet Euch des Vorwurfs für schuldig, Euch mit dem Kriminellen Eli Monpress verschworen zu haben, um unter Vorspiegelung falscher Tatsachen und in Verletzung Eures Eides den Großen Geist Mellinor zu erlangen. Als Strafe werdet Ihr von nun an aus dieser Versammlung verbannt. Eure Titel und Privilegien innerhalb des Hofes, inklusive aller Verträge, Versprechungen oder Abmachungen, die Ihr in seinem Namen getroffen habt, werden von nun an als unwirksam betrachtet. Ihr werdet Eure gebundenen Geister aufgeben und diese Stadt sofort verlassen.«
    Meister Banages Stimme war leise und ruhig, doch jedes einzelne Wort traf Miranda wie ein Hammerschlag und erschütterte sie, bis sie ihn nur noch verständnislos anstarren konnte. Sie hörte Schritte hinter sich, drehte sich um und entdeckte zwei junge Spiritisten, die auf sie zukamen. Der weiblichen Spiritistin folgte ein großer Sandhaufen in Form eines Tigers, dem jungen Mann ein Tausendfüßer, der anscheinend aus Stein bestand.
    Sie bewegten sich langsam, und Miranda blieb genug Zeit, um ihre Hände zu betrachten. Ihre Ringe glitzerten. Jeder einzelne strahlte in seinem eigenen, unschuldigen Licht, ohne sich auch nur im Mindesten bewusst zu sein, was gleich geschehen würde. Mellinor allerdings wusste, dass etwas nicht in Ordnung war. Er bewegte sich unruhig tief in ihrem Geist, ein ruheloser Schatten in dem Brunnen, das ihr Bewusstsein war. Miranda schloss die Augen und fühlte den Sog ihrer Geister, die Verbindung durch die Eide, die sie abgelegt hatte; die Eide, die gerade für unwirksam erklärt worden waren. Es fühlte sich an wie immer: ein ehernes Band, das ihre Seele mit ihren Geistern verband.
    Dort auf der Anklagebank, während die Spiritisten langsam und drohend näher kamen, stellte sich Miranda ihrer Wahl, stellte sich ihr zum ersten Mal richtig. Den Geisterhof ehren oder ihre Geister ehren. Und als sie die Situation so betrachtete und alle höflichen Umschreibungen verwarf, wurde ihr klar, dass sie sich bereits entschieden hatte. Sie musste nur noch handeln.
    Der Gedanke verursachte ihr panische Angst, aber bei Weitem nicht so viel Angst wie wahrscheinlich noch vor einer Stunde. Schließlich flüsterte eine Stimme in ihrem Kopf, die verdächtig nach Elis klang: Was können sie dir denn noch antun?
    Die Spiritisten waren nur noch eine Armlänge von Gins Schwanz entfernt, als Miranda sich zu ihnen umdrehte.
    »Eril«, sagte sie leise. »Ablenkung.«
    Ein gackerndes Lachen erklang aus dem Anhänger auf ihrer Brust, und Eril brach in einer Windböe hervor, die Miranda fast umgeworfen hätte. Der Windgeist sauste in Kreisen um den Raum, warf leere Stühle um und wirbelte jedes Stück Papier auf. Chaos brach aus. Hern schoss aus seinem Stuhl, aber seine Stimme ging im Heulen des Windes unter. Die anderen Spiritisten standen jetzt ebenfalls und hoben Hände voller glühender Ringe, aber Miranda hatte keine Zeit, auf sie zu achten. Die Spiritistin mit dem Sandtiger schrie etwas, und ihr Geist sprang nach vorne, um Miranda in einer Lawine aus Sand zu begraben. Noch während seines Sprungs warf Miranda die Hand nach vorne. Ein Wasserstrahl schoss aus ihren Fingern und traf die Sandkreatur. Die Wasserwand verschlang den Tiger, und

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