Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
lassen. Sie hatte sich von Anfang an von ihm zum Narren halten lassen, von dieser ersten Nacht an, als sie seinen Namen auf der Anklageschrift entdeckt hatte.
Miranda lehnte sich zurück und ließ den Kopf gegen die kalte Steinwand fallen. Sie war ein solcher Idiot gewesen. Die ganze Zeit hatte sie wirklich geglaubt, um die Turmwächter auf ihre Seite zu ziehen, müsste sie nur ihre Geschichte erzählen und ihnen Mellinor zeigen, um so zu beweisen, dass Herns Vorwürfe jeder Grundlage entbehrten. Doch jetzt noch sah sie sie vor ihrem inneren Auge, diese Roben tragenden Gestalten, die sich flüsternd unterhielten und deren beringte Finger ungeduldig auf das Holz vor ihnen trommelten. Sie waren heute nicht zum Hof gekommen, um sich überzeugen zu lassen oder um ihre Unschuld abzuwägen. Es hatte keine Fragen gegeben, keine Forderungen nach Beweisen, keine Zeugenaufrufe. Nichts. Die Turmwächter, die heute hier versammelt saßen, waren nur gekommen, um eine notwendige, unangenehme Aufgabe hinter sich zu bringen, genau wie Banage gewarnt hatte. Wieder schlug sie ihren Kopf gegen den Stein, diesmal etwas härter. Sie war dämlich gewesen. Dämlich und naiv, weil sie geglaubt hatte, die Dinge würden so laufen, wie sie es wollte, nur weil sie der Meinung war, dass es so sein sollte.
Sie konnte Gins Krallen über den Boden klackern hören. Er hatte letzte Nacht im Garten recht gehabt. Heute hierherzukommen, einfach so, mit nur ihren Geistern und ihrer Aussage auf ihrer Seite, war hochmütig gewesen. Sie hatte den Kopf zu hoch gehalten, um zu sehen, wie trügerisch der Boden unter ihren Füßen war, und jetzt …
Miranda hob schnell die Hände und drückte ihre Handflächen gegen die Augen, um die Feuchtigkeit zurückzudrängen, die drohte über ihre Wangen nach unten zu rinnen. Sie durfte nicht schwach sein, nicht jetzt. Doch in ihrem Kopf hörte sie bereits Herns glatte, triumphierende Stimme, die ihre Strafe verkündete.
Verbannung vom Geisterhof durch den Entzug von Ringen, Stellung und Privilegien.
Ihre Hände fingen an zu zittern. Sie hatte von Anfang an das Risiko gekannt, das sie einging. Gleichzeitig hatte sie jedoch nicht wirklich verstanden, was damit alles auf dem Spiel stand. Mit Verbannung konnte sie umgehen. Auch ihre Stellung und Privilegien zu verlieren, konnte sie ertragen. Aber ihre Ringe? Sie drehte ihre Hände um und drückte sich die Steine ihrer Ringe gegen die Wangen. Sie konnte fühlen, wie die Geister sich darin im Schlaf bewegten. Jeder Einzelne war durch ein Versprechen an sie gebunden, durch einen heiligen Eid, von dem sie geglaubt hatte, dass er bis zu ihrem Tod Bestand haben würde. Konnte sie das verlieren?
Das Knirschen der Tür störte ihre Gedanken, und Miranda blieb gerade noch genug Zeit, um sich die Augen zu reiben, bevor zwei Spiritisten in roten Roben den Wartesaal betraten. Sie sahen sie nicht an, sondern öffneten nur die Tür, um dann mit gesenkten Köpfen daneben Stellung zu beziehen. Miranda stand voller Grauen von ihrer Bank auf. Hatten die Turmwächter ihre Entscheidung so schnell gefällt? Sicherlich nicht. Es waren doch gerade mal zehn Minuten vergangen. Konnten sie so schnell abstimmen? Doch die jungen Spiritisten warteten darauf, sie zu eskortieren, und Miranda blieb keine andere Wahl, als ihren Platz zwischen ihnen einzunehmen. Wortlos führten sie sie die Treppe nach oben in das grelle Licht des Hofes, und mit jedem Schritt fühlte Miranda, wie ihre Kraft schwand.
Dieses Mal war ihr Gang durch den Hof vollkommen anders. Sie war dieselbe, und sie bewegte sich wieder mit hoch erhobenem Kopf durch den Raum, während sie ihre Angst hinter einer ruhigen Maske verbarg. Schließlich war sie noch eine Spiritistin, zumindest für die nächsten paar Minuten. Der runde Raum dagegen hatte sich in der kurzen Zeit, in der sie gewartet hatte, verändert. Vorher waren die ersten zwei Bankreihen fast voll besetzt gewesen. Das waren immer noch nicht viele Besucher, aber zumindest hatten einige Spiritisten den Raum gefüllt. Jetzt war der Raum stattdessen fast vollkommen leer. Nur ein paar Spiritisten saßen hier und da über die Bänke verteilt, fast alles Gesichter, die sie kannte: Unterstützer von Banage. Alle anderen schienen nach der Abstimmung gegangen zu sein. Finster dachte sie, dass sie wahrscheinlich zu feige waren, um zu bleiben und die Folgen ihrer Handlungen zu bezeugen.
Hern war natürlich da. Er lungerte in seinem Sitz wie ein Zuschauer bei einem langweiligen
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