Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
nach einem kratzenden Schrei flog überall Sand herum. Das Mädchen, das den Geist befehligte, schrie ebenfalls auf, und sofort glühte ein anderer Ring an ihren Fingern. Doch Miranda war zu schnell.
»Skarest«, befahl sie. Ein Blitz raste durch ihren Arm, um dann in einem weißen Bogen die Brust des Mädchens zu treffen. Die Spiritistin flog, begleitet von einem lauten Knall, nach hinten und landete auf dem Rücken am anderen Ende des Raums.
»Skarest!«, schrie Miranda entsetzt.
»Sie wird sich erholen«, knisterte der Blitz selbstgefällig. »Hinter dir.«
Miranda wirbelte gerade rechtzeitig herum, um zu sehen, wie der andere Spiritist seinen steinernen Tausendfüßer nach vorne schickte. Aber als sie schon den Mund öffnete, um Durn, ihren eigenen Steingeist, zu rufen, sprang Gin über den Geist hinweg und landete auf seinem Spiritisten. Das Steinmonster erstarrte, als der Geisterhund den Jungen mit einer Klaue am Kragen hochhob und auf die Sitzbänke schleuderte. Sofort eilte der Tausendfüßer zu seinem gefallenen Meister. Doch schon schlossen sich andere Geister dem Kampf an. Hern war aus den Bankreihen auf die Freifläche geeilt, und seine Hände glühten in einem seltsamen, blauen Licht, das zu dem blitzenden Juwel um seinen Hals passte.
Miranda eilte zu Gin, weil sie erkannte, dass sie schon bald zahlenmäßig weit unterlegen sein würden. »Zeit zum Aufbruch!«
»Wohin?«, knurrte Gin, während er sich hinkniete, damit sie auf seinen Rücken springen konnte. »Wir befinden uns im Herzen des Geisterhofes. Ich bin ja sehr dafür, diese Idioten in einer Staubwolke zurückzulassen, aber du hast dir für deine Rebellion einen wirklich dummen Ort ausgesucht.«
Inzwischen hatten auch die Spiritisten auf den Bänken ihre Geister gerufen. Wohin Miranda auch blickte, sie war von Geistern aller Art und Größe umgeben, die sich langsam von der Galerie in ihre Richtung bewegten.
»Dorthin.« Miranda deutete auf die schmalen Fenster.
»Es ist zu schmal«, blaffte Gin. »Da passen wir nicht durch.«
»Wir versuchen es trotzdem«, sagte Miranda und klammerte sich mit aller Kraft an seinem Fell fest.
Gin knurrte, dann kauerte er sich hin. Miranda konnte spüren, wie sich seine Muskeln anspannten; dann sprang er in einer einzigen, explosiven Bewegung vorwärts. Miranda hatte ihn noch nie so springen sehen. Es fühlte sich an, als würden sie fliegen. Sie segelten hoch über die Bänke, über Hern hinweg, der ihnen nur mit offenem Mund hinterherschauen konnte und viel zu spät seine beringten Hände hob. Gin und Miranda flogen an Banage vorbei, und Miranda drehte sich um, um einen letzten Blick auf ihren Mentor zu werfen. Doch was sie sah, war nicht das, was sie erwartet hatte. Trotz des Fiaskos, das in seinem Hof ausgebrochen war, hatte Banage sich nicht bewegt. Er saß einfach nur in seinem Stuhl und beobachtete sie. Dann lächelte er plötzlich, und sein Geist hob sich um sie herum.
Sie hatte schon früher gespürt, wie Banage seinen Geist weit öffnete, aber das hier war etwas vollkommen anderes. Die Juwelen, die zu seinem Amt gehörten, glühten so hell wie die Sonne, und Mirandas Knochen vibrierten förmlich von der Macht in der Luft. Es war nicht nur Banages Macht, sondern es war auch die Macht des Rektor Spiritualis, des Magiers, der mit dem vernetzten Geist des Turms und der Großen Geister verbunden war, die unter Zarin selbst schliefen.
Banage bewegte seine Finger, und der Raum erzitterte in einem tiefen Stöhnen. Es dauerte nur eine Sekunde, aber das reichte aus. Die zu schmalen Fenster, auf die sie zuflogen, verschwanden plötzlich. Die milchig weißen Scheiben, die niemals dazu gedacht gewesen waren, geöffnet zu werden, fielen nach unten, um sie durchzulassen. Doch das war noch nicht alles. Als Nächstes öffnete sich der Stein um das Glas nach außen. Der weiße Marmor bog und rollte sich wie eine aufblühende Knospe, um ein Loch zu schaffen, das gerade groß genug für Gin war. Miranda blieb kaum Zeit zu starren, bevor sie schon durch das Loch aus dem Turm und in die klare Morgenluft segelten.
Für einen Moment flogen sie frei und hoch, während sich ganz Zarin unter ihnen ausbreitete. Dann ging ihr Sprung unaufhaltsam in den Fall über. Miranda fühlte, wie sich Gins Beine hektisch in der leeren Luft bewegten, und verstand, dass etwas nicht stimmte. Sie waren zu hoch, selbst für Gin, und sie stürzten im falschen Winkel.
Für einen kurzen atemlosen Moment befanden sie sich im freien Fall,
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