Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
nicht den ganzen Tag Zeit.«
Er trat zur Seite und deutete in die hinterste Ecke der Werkstatt. Eli ging fröhlich in die angezeigte Richtung, Josef weniger. Aber was sie als Nächstes sahen, verdrängte das Schwert aus ihren Gedanken. In der Ecke stand eine Schneiderbüste, die halb von etwas verschlungen wurde, das aussah wie flüssige Nacht. Eli blinzelte und sah genauer hin, nachdem seine Augen sich an das dämmrige Licht der Werkstatt gewöhnt hatten. Langsam formte sich die Dunkelheit zu einem Mantel.
Es war ein langer Mantel mit breitem Kragen, ausgestellten Ärmeln und geknöpften Riemen, um ihn zu verschließen. Am Hals blitzte etwas silbern, und als Eli genauer hinsah, erkannte er, dass es Nadeln waren. Eine kleine Armee aus Nadeln schwamm durch den schwarzen Stoff, bewegte sich in perfektem Einklang und zog glänzende schwarze Fäden hinter sich her. Doch trotz der Tatsache, dass all das nicht ganz einen Meter vor ihm stattfand, hatte Eli Probleme, genau zu sehen, was die Nadeln taten. Das Licht der breiten Deckenlampe schien um den Mantel herumzugleiten, fast, als würde das gelbe Leuchten ihm absichtlich ausweichen. Eli bewunderte den Effekt und fragte sich, was für einen sagenumwobenen Stoff Slorn benutzt hatte. Aber als er sich die Reste ansah, die auf dem Boden herumlagen, wurde ihm klar, dass der Stoff eigentlich nicht dunkler war als jedes andere dunkle Garn.
Er erwähnte diese Tatsache gegenüber Slorn, und der bärenköpfige Mann grinste breit.
»Das ist die neue Schutzschicht, die ich eingebaut habe.« In seiner Stimme schwang ein untypischer Tonfall von Prahlerei mit – der Stolz eines Handwerkers, der gerade etwas Einzigartiges geschaffen hat. »Der Mantel ist nicht so schwarz, aber die Lampe kann ihn nicht sehen. Schaut her.«
Er packte den Ärmel des Mantels und zog ihn in Richtung der Lampe. Je näher der Stoff dem Licht kam, desto dunkler und weniger gegenständlich wurde er.
»Wie hast du das geschafft?«, fragte Eli und riss Slorn den Ärmel aus der Hand, um ihn sich genauer anzusehen.
»Das Gesetz der Gattung«, antwortete Slorn stolz. »Die meisten Geister, die Licht abgeben, sind Feuergeister der einen oder anderen Sorte. Sie haben alle dieselbe Gattung. Es ist wie eine Geisterfamilie.« Den letzten Satz fügte er für Josef hinzu, der vollkommen verwirrt wirkte.
»Aber das Gesetz der Gattung besagt lediglich, dass Geister derselben Sorte dieselben Stärken und Schwächen haben«, meinte Eli, während er vorsichtig an dem Stoff zog und überrascht feststellte, wie stabil er war. »Was hat das mit der Fast-Unsichtbarkeit zu tun?«
Slorn lachte leise. »Lass uns einfach sagen, dass die Geister derselben Gattung auch denselben Dingen gegenüber blind sind. Zum Beispiel sind Feuergeister als Art ziemlich direkt. Sie halten sich nicht mit Dingen auf, die sie nicht verbrennen können. Um das auszunutzen, habe ich einfach die Geister in dem Mantel so zusammengewoben, dass es für die Feuergeister aussieht wie eine stille Wasserfläche, die Feuergeister nicht interessiert.«
»Wartet«, warf Josef ein. »Wollt Ihr damit sagen, dass Feuer Wasser nicht sieht?«
»Nein.« Slorn schüttelte den Kopf. »Ich sage, dass Feuergeister an stehendem Wasser gewöhnlich nicht interessiert sind, weil tiefes, stehendes Wasser keine Bedrohung für sie darstellt. Und deswegen verspüren sie auch keinen Drang, es zu beleuchten.« Er warf Josef einen amüsierten Blick zu. »Was glaubt Ihr, warum Seen nachts so dunkel sind?«
»Clever.« Eli ließ den Ärmel wieder fallen. »Sehr, sehr clever. Also haben wir einen Mantel, der im Feuerschein fast unsichtbar ist. Das kommt unserer Arbeit sehr entgegen.«
»Funktioniert allerdings nicht im Sonnenlicht«, sagte Slorn mit einem Stirnrunzeln. »Die Sonne ist eine völlig andere Sache, also werdet nicht zu selbstsicher.«
»Keine Sorge«, antwortete Eli. »Ich bin mir meiner Selbstsicherheit sehr sicher. Was hast du noch eingebaut?«
Slorn schüttelte den Kopf und wandte sich wieder seinem Werk zu. »Er ist viel besser als der letzte Mantel. Der Stoff ist stärker und dehnbarer, aber trotzdem immer noch dick genug, um selbst die hartnäckigsten Geister abzuhalten. Sie können nicht erkennen, was sich darunter befindet. Nicht, dass sie auch nur wüssten, dass sie überhaupt suchen müssten. Für die Geisterwelt ist dieser Mantel und alles, was sich darunter verbirgt, einfach eine leere Stelle, nicht interessanter als ein schlafendes Nest kleiner
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