Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
hinter dem steckt, was hier vor sich geht, kann ich seine Glaubwürdigkeit zerstören, vielleicht sogar einen zweiten Prozess für mich erwirken. Das wäre noch besser, als Monpress zu fangen. Selbst wenn er nur weiß, was hier vorgeht, ohne es dem Geisterhof zu berichten, wirft das schon einen Schatten auf seine Karriere.« Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, erhaschte über die Köpfe hinweg einen Blick auf Herns blonde Locken und duckte sich wieder. »Nein«, sagte sie. »Er muss irgendwas im Schilde führen. In ein paar Tagen wird im Geisterhof ein Referendum abgehalten. Ohne guten Grund würde er es nicht wagen, Zarin zu verlassen und das zu verpassen. Ich werde herausfinden, wie dieser Grund lautet.«
Mellinor gefiel das überhaupt nicht, aber er sagte nichts mehr dazu. Miranda verfolgte Hern zwei Häuserblöcke weit. Sie war nervös. Die Häuser standen dicht an dicht an der Straße, und es gäbe keine Deckung für sie, falls die Menge dünner wurde. Aber Hern sah sich kein einziges Mal um, bis er die Tür eines großen, luxuriös wirkenden Gasthofes erreichte. Dort ging er die Stufen hinauf, nickte dem Jungen zu, der ihm die Tür öffnete, und verschwand im Innenraum. Einen Moment später folgte Miranda ihm. Der Junge öffnete ihr die Tür nicht so bereitwillig, aber eine Münze änderte seine Meinung. So fand Miranda sich in einem üppig ausgestatteten Foyer eines prunkvollen Gasthofes in einer wohlhabenden Stadt wieder. Hern stand am anderen Ende des Raums und unterhielt sich mit zwei Männern, die Miranda als Turmwächter erkannte. Gerade als sie die drei entdeckt hatte, trat ein gut gekleideter Diener an sie heran, um die Männer eine Treppe nach oben zu führen.
»Mein Fräulein?«
Miranda zuckte zusammen und starrte den Kellner an, der neben ihr aufgetaucht war. »Kann ich Euch helfen, mein Fräulein?«
»Ja«, sagte Miranda und zeigte auf die Treppe, über die Hern gerade verschwunden war. »Was liegt hinter dieser Treppe?«
»Die privaten Speiseräume, meine Dame«, antwortete der Mann skeptisch und beäugte ihr einfaches Kleid.
»Gut«, sagte Miranda. »Ich hätte gern einen. Wie viel?«
»Fünfzehn Silberstücke für ein privates Essen«, erklärte der Mann. »Wir haben Wachtel und Fasan in einer Pflaumenglasur, an …«
»Klingt wunderbar«, unterbrach ihn Miranda und drückte ihm die Münzen in die Hand. »Führt mich hoch.«
Der hochmütige Ausdruck auf dem Gesicht des Mannes verschwand, als das Geld in seine Hand fiel, und fröhlich führte er sie die Treppe nach oben. Es gab mehrere Speisezimmer, aber nur eine der Türen war geschlossen. Sie wählte den Raum daneben, und der Kellner führte sie in einen kleinen Raum. Er war mit einem Esstisch und einer kleinen Kommode ausgestattet, auf der ein Krug mit Wasser und eine Vase mit Blumen standen, mit mehreren Bögen Briefpapier daneben. Und das Beste war, dass nur eine einfache Bretterwand den Raum vom nächsten Zimmer trennte. Sie konnte durch das Holz murmelnde Stimmen hören, dann erklang Herns hochmütiges Lachen.
»Das ist perfekt.« Miranda nickte zustimmend. »Ihr könnt gehen.«
Der Kellner schenkte ihr einen verwirrten Blick, dann verbeugte er sich und ging. Die Tür machte er hinter sich zu. Sobald er verschwunden war, ging Miranda neben der Tür in die Knie und drückte ihr Ohr gegen die Holzplanken. Sie hörte Männerstimmen, gedämpft, aber durchaus verständlich. »Es ist ein Debakel, das ist es«, sagte einer der Turmwächter gerade. »Wir haben gegen das Mädchen gestimmt, wie du gesagt hast, aber nichts hat sich verändert, außer dass Banage noch selbstgerechter ist als vorher. Außerdem steht der Hof jetzt überwiegend auf seiner Seite. Meine Stellung als Leiter des Komitees zum Management der Waldgeister ist bedroht.«
»Du kanntest das Risiko.« Hern klang gelangweilt. »Aber trotzdem hast du das Geld genommen. Wenn du denkst, deine Position als Leiter des Komitees wäre jetzt schon gefährdet, dann warte, bis der Hof erfährt, dass du Schmiergeld angenommen hast, um Banages Favoritin zu Fall zu bringen.«
Miranda riss die Augen auf. Sie schoss auf die Beine und schnappte sich das Papier von der Kommode, zusammen mit Feder und Tintenfass. Hern gab gerade alles zu, was sie vermutet hatte. Sie musste mitschreiben, damit sie kein einziges Wort vergaß.
Inzwischen waren beide Turmwächter wütend und beschuldigten Hern, sie zu bedrohen, während sie gleichzeitig ihrerseits damit drohten, ihn auflaufen zu lassen.
Weitere Kostenlose Bücher