Legende von Eli Monpress 02 - Herr des Windes
Einflusses von seinen eigenen Lippen zu hören war ungeheuerlich, und sie bemühte sich verzweifelt, alles zu notieren. Als der Kellner ihnen den Brandy brachte, hatte sie zehn eng beschriebene Seiten voller Daten, Namen und Details, und sie konnte den Drang kaum bezähmen, alles einzupacken und persönlich zu Banage zu bringen, ob sie nun ausgestoßen war oder nicht.
Während die Männer es sich im anderen Raum mit ihren Brandygläsern gemütlich machten, wurden sie von einem unerwarteten Klopfen gestört. Miranda zuckte zusammen, weil sie dachte, es wäre wieder ihr Kellner. Aber es hatte an der anderen Tür geklopft, und sie hörte das Kratzen von Stuhlbeinen auf dem Boden, als Hern aufstand, um herauszufinden, was los war. Er öffnete die Tür mit einem Knarren, und es folgte ein Wortwechsel, der allerdings so leise geführt wurde, dass Miranda nichts verstehen konnte; schließlich vernahm sie das Rascheln von Papier.
»Was ist los, Hern?«, fragte einer der Turmwächter.
Hern antwortete nicht. Sie hörte seine Schritte, als er den Raum durchquerte. Er ging nicht zurück zu seinem Stuhl, sondern zu der Wand, an der Miranda lehnte. Jetzt war er so nah, dass Miranda seinen Atem hören konnte. Sie hielt die Luft an und wagte nicht, auch nur das leiseste Geräusch von sich zu geben.
Einen Moment später sprach Hern ein einziges Wort. »Dellinar.«
Miranda riss die Augen auf. Das war der Name eines Geistes. Die nächste Zehntelsekunde dehnte sich zu einer scheinbaren Ewigkeit. Sie drehte sich um, packte ihr Papier, schob es in die Tasche ihres Kleides und rief nach Durn, ihrem Steingeist. Sie war sich sicher, dass er alles stoppen konnte, was Hern besaß; damit konnte er ihr die Zeit erkaufen, die sie brauchte, um durchs Fenster zu verschwinden. Sie befand sich lediglich im ersten Stock; das konnte sie schaffen. Aber noch während ihre Lippen Durns Namen formten, explodierte die Wand zwischen den Räumen bereits in einem Durcheinander aus Holzsplittern und grünen Trieben. Die Pflanzen sprangen sie an wie Tiger, legten sich um ihre Knöchel, ihre Hüfte und ihre Handgelenke und warfen sie so hart zu Boden, dass Miranda Sterne sah. Weitere Ranken fixierten ihre Arme und ihren Kopf, und einige umwickelten ihren Mund, um sie zu knebeln. Sie kämpfte wie wild, aber dann schlossen sich die Triebe auch um ihre Kehle und nahmen ihr die Luft zum Atmen. Sie sah auf und entdeckte, dass Hern mit einem breiten Grinsen auf dem Gesicht neben ihr kniete.
»Was du fühlst, ist mein Efeugeist, der kurz davorsteht, dir den Kehlkopf zu zerdrücken«, erklärte er ruhig. »Wenn deine Geister irgendetwas probieren, köpft er dich.«
Miranda versuchte, ihn zu verfluchen, doch ihr gelang nur ein unterdrücktes Stöhnen, als die Ranken sich enger zusammenzogen.
Hern lehnte sich vor, bis sein Gesicht direkt vor ihrem war, und wedelte mit einem Stück Papier. »Wunderbare Warnung«, grinste er, dann musterte er ihre verteilten Notizen, die ihr beim Fall anscheinend aus der Tasche gerutscht waren. »Genau zur richtigen Zeit. Ich muss daran denken, dem lieben Edward meinen Dank auszusprechen.«
Im Flur erklangen laute Rufe, und Miranda erhaschte aus dem Augenwinkel einen Blick auf Soldaten, die in den Raum traten. »Spiritist Hern«, erklärte eine harte Stimme. »Auf Befehl des Herzogs sollt Ihr und der Spion Euch sofort in der Festung melden.«
Hern blickte finster drein. »Ich habe alles unter Kontrolle, Sergeant.«
Der Soldat blinzelte nicht einmal. »Befehl des Herzogs«, wiederholte er.
Hern verdrehte die Augen. »In Ordnung«, sagte er. »Aber zuerst …« Er vollführte eine ausladende Geste mit seiner juwelenschweren Hand. Miranda keuchte und wand sich verzweifelt, als sich die Ranken noch enger zogen. Sie griff panisch nach ihren Geistern, aber es war zu spät. Die Pflanzen gruben sich in ihre Haut, fesselten jeden Körperteil und schnitten ihr endgültig die Luft ab. Ihr Körper wurde unglaublich schwer. Schließlich lag sie still, während ihre Lungen brannten und nach Luft schrien.
»Hebt sie hoch.« Herns Stimme schien von weit her zu kommen. »Und nehmt Rücksicht auf den Efeu.«
Miranda fühlte, wie Hände unter sie geschoben wurden, dann schwebte sie in der Luft. Für einen Moment sah sie noch verschwommen die Gesichter der Wachen, ehe ihr schwarz vor Augen wurde.
Kapitel 13
D ie Menge vor der Festung verlief sich langsam. Die Wehrdienstleistenden erhielten ihre Befehle von einer Gruppe uniformierter Wachen am
Weitere Kostenlose Bücher