Legenden d. Albae (epub)
Sommer
Die beiden Albae trabten mit vierzig Kriegern dem Pass entgegen und betrachteten das gewaltige Lager von weiter oben.
»Es war weise, die Zelte am Fuße der ersten Bergausläufer aufschlagen zu lassen«, merkte Caphalor an. »Vor allem die Oger, Trolle und Riesen veranstalten viel Lärm, und ihre kraftvollen Stimmen tragen weit.«
Sinthoras lauschte und war beruhigt, keine verräterischen Geräusche aus der Ebene zu vernehmen. »Das fehlte noch, dass die Unterirdischen ausgerechnet durch Gelächter vor dem Sturm gewarnt werden, der sich da zusammenbraut«, antwortete er. Das Verbot, den Steinernen Torweg zu attackieren, hatte gefruchtet. Keine Bestie, kein Barbar, kein sonstiges Wesen begegnete ihnen bei ihrem Aufstieg. Die Nostàroi waren die Ersten nach einer langen, langen Zeit.
Der Pass verlief steiler, wand sich die Berge hinauf und behielt seine Breite bei.
Das war nicht immer so gewesen.
Sinthoras wusste, dass Óarcos und andere Scheusale ihn ausgetreten und mit Pickeln und Schaufeln erweitert hatten, weil sie dachten, dass ihre einfachen Belagerungsmaschinen gegen die mächtigen Portale etwas ausrichten konnten. In den wenigen Teilen der Unendlichkeit, da nicht irgendeine Bestie meinte, sie müsse einen Angriff gegen die Unterirdischen führen, kamen gelegentliche Expeditionen aus Tark Draan nach Ishím Voróo.
Gerade die Barbaren schienen von der Neugierde getrieben zu werden, mehr vom Unbekannten zuerfahren.
Nicht, um es sich zu unterwerfen, sondern um es zu erkunden. Sinthoras lächelte grimmig.
Ich finde, es ist nur höflich, die Besuche zu erwidern.
Es wurde kälter. Der Atem vor den Nasen und Nüstern wurde zu weißen Wölkchen, Reif schlug sich an den Helmrändern nieder.
Sinthoras’ Gedanken schweiften bei ihrem Ritt über Meilen hinweg zu der schwer verletzten Timānris.
Die Nachricht von ihrem Unfall hatte ihn mitgenommen, und er spürte schreckliche Sorge und Angst um seine Zukünftige.
Liebe macht nicht nur stark.
Da er jedoch nicht einfach so aus dem Lager verschwinden durfte, nicht wegen persönlicher Belange, auch wenn es ihm das Herz zerriss, schrieb er Briefe. Unzählige Briefe, die Boten nach Dsôn brachten.
Ich muss mich ablenken, sonst verweilt mein Verstand zu lange bei ihr, und die Sorge wird zu erdrückend.
»Du hast noch immer nicht erzählt, was du mit Munumon getan hast.« Sinthoras sah zu Caphalor. »Du hast ihn leiden lassen, nehme ich an.«
»Ja. Mehr, als ich jemals zuvor eine Kreatur leiden ließ«, entgegnete er zufrieden. »Ich hoffe, du konntest etwas mit seinem Blut anfangen, das ich dir mitbrachte.«
»Ich behandele es mit Sorgfalt. Wo es doch keine Fflecx mehr gibt, ist der Lebenssaft ihres Königs umso wertvoller.« Sinthoras fühlte Enttäuschung. Zu gern hätte er gewusst, was in jener Nacht geschehen war.
Ob auch ich Rache für die Erniedrigung spüren darf
?
Doch ehe er nachhakte, sagte Caphalor: »Ich bin froh, dass der Pass so breit geblieben ist. Für unsere Truppenstärke ist er perfekt. Wir werden rasch hinaufgelangen.«
»Auch die Katapulte und Sturmleitern werden sich einfach transportieren lassen.« Er sah die unterschiedlichsten verwitterten Knochen, verrostete und flechtenüberzogene Rüstungen und abgestürzte Wagen in den Schluchten rechts und links des Passes. Der Tod hatte sich reichlich Beute geholt.
Bald darf er das wieder tun.
Die Nachtmahre kamen mit der Höhe gut zurecht, und so standen die Albae nach kurzem Ritt auf einer Plattform, von der aus der Pass eine halbe Meile am Bergrand entlangführte, um dann nach Westen zwischen Berghängen zu verschwinden.
»Ich habe keinerlei frische Spuren gesehen«, sprach Caphalor. »Es scheint, als wäre schon lange niemand mehr durch das Tor gegangen.«
»Wir lassen dennoch einige Späher hier«, entschied Sinthoras. »Es ist immerhin nicht auszuschließen, dass die Barbarenkönige von Tark Draan ausgerechnet in den kommenden Momenten der Unendlichkeit eine neue Truppe entsenden, um Ishím Voróo erkunden zu lassen. Da wäre es schlecht, wenn sie durch eine unglückliche Fügung über unser Heer stolperten.« Er atmete tief ein. Kalte, klare Bergluft und ein Hauch des Reiches, das er niederzuwerfen gedachte.
Die Unterirdischen bilden lediglich den Auftakt.
»Ich kann es kaum erwarten«, grollte Caphalor, als hätte er seine Gedanken gelesen. »Das verfluchte Tark Draan soll in Flammen vergehen und meinen Hass mit seiner Asche löschen!«
Sinthoras nickte ihm zu. »Das soll es, mein
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