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Legenden d. Albae (epub)

Legenden d. Albae (epub)

Titel: Legenden d. Albae (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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verstehen, dass sie dem Alb folgte, der ihr die Augen zerstochen hatte,um ihm nahe zu sein. Wer würde das schon? Sie selbst bekam ja gelegentlich Zweifel.
    Seit sie denken konnte, bereitete es ihr Vergnügen, anderen zu dienen und ihnen zur Hand zu gehen, trotz ihrer Herkunft als Schwester eines Fürsten. Zugleich fühlte sie sich durch ihre eigene künstlerische Ader zu dem Volk der Albae hingezogen, hörte die Geschichten über sie mit Begeisterung und nicht mit Grausen und Entsetzen wie alle anderen.
    Dabei ging es ihr nicht um das Ergötzen am Leid. Sie bewunderte vielmehr ihren andersartigen Sinn für Kunst, den die einfachen Menschen nicht nachvollziehen konnten. Bestechend sauber gemalte Bilder aus Blut, wunderschöne Skulpturen aus Gebeinen und Metallen, stattliche Türme und opulente Gebäude aus Knochen sowie anderen Materialien! In ihrer Vorstellung hatte sie sich all das immer ausgemalt und sich niemals etwas anderes gewünscht, als eine Stadt der Albae und ihre unerreichbare Meisterhaftigkeit mit eigenen Augen zu sehen.
    Raleeha erinnerte sich sehr genau an die Zeit daheim, wo sie jeden anderen in ihrer Malerei übertraf, was ihr den Ruf verschaffte, eingebildet zu sein und sich für etwas Besseres zu halten. Der Neid und die Missgunst angesichts ihrer herausstechenden, mitunter düsteren Werke verstärkten das Gerede. Je mehr sie von den Albae schwärmte, umso feindseliger wurde man ihr gegenüber. Ihr schönstes Bild, das sie in der Halle des Rathauses aufhängen durfte, wurde von Unbekannten zerschlitzt, und sie selbst wurde mit einer Karikatur an ihrer Tür verspottet.
    Sie musste bald lernen, ihre Faszination zu verbergen, um sich nicht stärkeren Anfeindungen ihrer Umgebung auszusetzen oder ihrem Bruder zu schaden. Auch er konnte sie bei aller geschwisterlichen Liebe nicht verstehen.
    Als Angehörige der Familie Lotor lebte sie lange Zeit als Nomadin, dann wurden sie sesshaft und gründeten eine kleine Stadt, nahe der Grenze zu den Albae. Als sie eines Tages Sinthorasbeim Malen entdeckte, verfiel sie ihm und seiner Kunst unverzüglich. Die Götter hatten ihren Wunsch vernommen!
    Ungeachtet der Bitten ihres Bruders, folgte sie Sinthoras. Sie wünschte sich nichts anderes, als die Strahlarme des Sternenreichs zu bereisen, und wenn es als Sklavin geschah. Zu sehen und zu staunen, von einem künstlerischen Rausch in den nächsten zu verfallen. Besessen von dem, was sie erblickte, malte und zeichnete sie. Nichts ihr Bekanntes hielt der finsteren Grazie der Albae stand, weder im Kampf noch in der Baukunst, im Denken und Leben. In Tod und Kunst.
    Es grämte Raleeha, dass sie von nun an nichts mehr von all dem sehen durfte. Sie hatte die Strafe dennoch verdient und unterdrückte eisern den leisen Protest, der sich in solchen Momenten der Erinnerung an die Einmaligkeit des Albae-Reichs in ihr regte.
    Diese Stimme sagte ihr, dass es Schläge ebenso getan hätten. Die Verfehlung war nicht so weitreichend gewesen, um eine völlige Erblindung zu rechtfertigen. Ohne Caphalors Beistand läge sie ertrunken im Schilf oder wäre von Óarcos geschändet oder gefressen worden oder   …
    Raleeha befahl sich, Sinthoras nicht länger anzuklagen.
Ich habe es mir selbst zuzuschreiben.
    Schließlich wagte sie es, vom Sims zu steigen und nach dem Trinkbeutel zu suchen.
    Die gleiche Stimme, die über die Bestrafung nörgelte, hauchte ihr ohne Unterlass den Gedanken ein, sich zu ihrem Bruder durchzuschlagen und das Leben als Sklavin hinter sich zu lassen. Zugleich kamen ihr Bedenken. Raleeha war stolz auf ihren Bruder, den angesehenen Kriegsfürsten, und wollte ihn mit ihrer Rückkehr nicht belasten. Zudem würden die Gerüchte niemals enden. Spionin, so würde man sie zu Unrecht nennen. Niemand entkam dem Reich der Albae lebendig, aber einer Blinden sollte es gelingen?
Lotors Ruf muss untadlig bleiben.
    Sie hatte vernommen, dass man ihrer Familie einen Kriegszug gegen das Sternenreich zutraute. Das wiederum wäre ein Grund, Lotor aufzusuchen und ihn davon abbringen zu wollen. Er würde in sein Verderben ziehen und Zehntausende mit ihm.
    Keiner machte sich Vorstellungen über die Schlagkraft eines Albae-Heeres. Sie schon. Sinthoras hatte sie zu einer Übung mitgenommen. Es waren lediglich eintausend Krieger, denen sie zuschauen durfte, doch sie waren tödlicher als zehntausend der besten Menschensoldaten. Die Verteidigungsanlagen, die sie gesehen hatte, waren in der Lage, Tausende Opfer zu fordern, ehe auch nur ein Mann

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