Legenden d. Albae (epub)
ist so gut wie erfüllt.«
Sinthoras schenkte Karjuna ein samtenes und zugleich gefährliches Lächeln. »Es wird Zeit, dass wir uns endlich bei dir bedanken, Fleischdiebin. Zwar ist es mir nicht in der Art vergönnt, wie ich es gern getan hätte, aber ich verspreche dir, dass es außergewöhnlich sein wird.« Die Waffenspitze schwenkte auf ihre Herzhöhe. Sie wich einen Schritt zurück, der Schrecken machte ihr Gesicht noch widerlicher.
Caphalor hatte unterdessen etwas entdeckt: Im unteren Teil des Pergaments war die Tinte verlaufen und unleserlich geworden. Es sah aus, als sei es mit voller Absicht verunstaltet worden. »Sieh dir das an!«
Sinthoras schnalzte ungeduldig mit der Zunge. Man merkte ihm die Vorfreude an, die Obboona töten zu dürfen. Jetzt. »Was schert uns das? Munumon verlangte nach dem Pergament, den Zustand erwähnte er nicht.«
»Wir brauchen das Gegenmittel. Denkst du, er gibt es uns, wenn er den Schaden sieht? Er wird uns bezichtigen, es zerstört zu haben!« Damit schien er seinen Begleiter ins Grübeln gebracht zu haben.
»Ich«, meldete sich Karjuna ungefragt zu Wort und deutete schüchtern auf die erste verwischte Zeile, »kann es erkennen.«
»Du?« Caphalor lachte sie aus. »Du würdest alles sagen, um dem Tod zu entgehen. Das wissen wir.«
»Nein, mein Halbgott!«, rief sie, und wie immer, wennsie sich an ihn richtete, bekam ihre Stimme einen anderen Klang. Bittend, begehrend, bettelnd. »Meine Augen können die feinen Rillen erkennen, welche die Feder durch den Druck im Pergament hinterließ. Das Mittel, das ich verwende, um meine Augen den Euren gleichzumachen, schärfte meine Sehkraft. Ich flehe Euch an: Lasst mir mein Leben!«
Sinthoras seufzte laut. »Ich sage: Weg mit ihr.«
»Nein. Es schadet uns nicht, wenn wir sie bei nächster Gelegenheit auf die Probe stellen.« Caphalor sah zu Karjuna hinab. Liebend gern hätte er diese Kreatur getötet, doch sie hielt womöglich sein Leben und somit die Mission in ihren Händen.
Sinthoras starrte ihn an, dann sagte er: »Das werden wir bereuen. Ich spüre es.« Er sah sich um und entdeckte einen Lederbeutel, in den er die Krone und das Pergament stopfte.
Eine fingergroße, in Silber gefasste Phiole, die aus einem halb geöffneten Kästchen ragte, erregte seine Aufmerksamkeit. Darin schwappte eine weißliche Substanz wassergleich gegen die Ränder. Die Beschriftung war beschädigt, als hätte sie einen Schlag abgefangen. Eines der Zeichen bedeutete »Dämon«. Er spürte starke Magie, die nicht von der Krone ausging.
Schnell sah Sinthoras zu seinem Begleiter. Unbemerkt von Caphalor, ergriff er die Phiole und schob sie sich unter das Gewand. Womöglich ließe sich damit etwas anfangen. Und es blieb sein Geheimnis.
»Gehen wir«, bestimmte Caphalor und lief auf den Ausgang zu. »Jetzt benötigen wir nur noch …«
Ein Unterirdischer kam hereinspaziert, die Hände gemütlich hinter dem Rücken verschränkt. Ein prachtvoller Harnisch aus strahlend weißem Palandium barg seinen muskulösen Leib, darunter trug er einen wattierten schwarzen Waffenrock. Um seine Stirn lag ein breiter, getriebener Reif aus dem gleichen Edelmetall, besetzt mit Diamanten und Rubinen, die im Licht dezent funkelten. Was er allein anSchmuck und Rüstung an sich trug, musste ein Vermögen kosten. Der Schopf war tiefschwarz und kurz geschnitten, lange Koteletten reichten bis auf die Brust hinab. Sein zerfurchtes Gesicht wirkte beinahe freundlich, zumindest jedoch neugierig, als er eintrat und sie musterte.
»Gålran Zhadar«, raunte Karjuna und flüchtete sich zwischen die Regale.
Sinthoras hob den Speer. »Er besitzt Sinn für Anstand. Um seinen Kopf zu holen, müssen wir ihn nicht suchen. Und wage es nicht …«
Caphalor riss den Bogen hoch und feuerte in schneller Folge zwei Pfeile nach dem Wesen, das einem Unterirdischen glich und dennoch keiner war. Es war ihm einerlei, dass sich Sinthoras mit dem Herrn der Himmelsfestung messen wollte. Die Offenheit, mit der ihnen der Gålran Zhadar gegenübertrat, verhieß nichts Gutes.
Ihr neuer Widersacher nahm die Arme hinter dem Rücken hervor. In den Händen führte er zwei kurzstielige Streithämmer, an deren Köpfen es silbern und golden aufglänzte; Edelsteine brachen das Licht. Er nutzte die Breitseite der Hämmer, um sie als Schutz vor sein Gesicht zu halten. Zwar machte er einen Schritt rückwärts, als die Geschosse dagegen prallten und zerbarsten, doch er blieb unverletzt.
»Zu langsam«, merkte
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