Legenden d. Albae (epub)
Wildwasserfluss mit sich. Die Luft wich aus seinen Lungen. Er musste die Waffe fallen lassen, krachte gegen ein Regal und rutschte daran zu Boden. Durch einen roten Schleier hindurch sah er den Gålran Zhadar, der auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes am Boden lag. Eine rote Lache breitete sich um seinen Kopf aus.
Dann kam Caphalor angesprungen und zerrte Sinthoras auf die Beine. »Hoch mir dir«, vernahm er dessen Stimme tief und gedehnt, als gähne er beim Sprechen. »Die Obboona hat die Tür geöffnet. Seine Männer kommen!«
»Töten sie«, gab Sinthoras von sich und wunderte sich, dass er so merkwürdig und tumb klang. Dabei hatte er den Satz in seinem Kopf perfekt formuliert. Als Caphalor ihn losließ, musste er sich am Regal festhalten. Arme, Beine, sein Leib hatten etwas Weiches, als hätten seine Knochen ihre Festigkeit verloren. Lichter flimmerten vor ihm, die gleich darauf ineinem Nebel verschwanden. Er musste sich eingestehen, dass er in dieser Verfassung keineswegs zu kämpfen vermochte.
Widerwillig folgte er Caphalor, torkelte dabei, rempelte mehrmals gegen Hindernisse und griff sich etwas aus einem Regal, das wie ein Speer aussah. Seinen alten fand er nicht mehr. Zudem taugte er nichts mehr, verbogen wie er war und der Klingen beraubt.
Die Wahrnehmung narrte ihn, machte die Fleischdiebin zu einer echten Albin. »Ich habe mich hinausgeschlichen, bevor die Tür ganz zugefallen ist, und sie von außen geöffnet«, sprach sie schellenklar und schenkte Caphalor ein Lächeln, das ihn einlud, alles mit ihr zu tun, wonach es ihn verlangte. »Wenn wir in Freiheit sind, vervollständige ich das Pergament, Ihr Halbgötter. Vorher nicht.«
Sinthoras schüttelte sich, stolperte über seine eigenen Füße und fiel hin. Gemeinsam mussten sie ihm aufhelfen, sonst wäre er liegen geblieben.
Er bekam nicht mit, welchen Weg sie genau nahmen. Seine Beine hoben und senkten sich von selbst. Es war ihm nicht einmal möglich zu bestimmen, warum er sich derart fühlte. Er vernahm Geschrei, Caphalor blieb mehrmals stehen und sandte Pfeile aus, und dann musste Sinthoras nach ihm durch eine Klappe kriechen. Seine Hände sah er dreifach, er wusste nicht, welches die echten waren. Ständig griff er daneben.
»Besinne dich!«, schrie Caphalor ihn zornig an. »Hörst du? Besinne dich und klettere die Kette hinab. Wenn du fällst, wirst du stürzen und sterben. Erinnere dich an unsere Aufgabe und besinne dich! Was sollen die Unauslöschlichen denken? Willst du dich beschämen?«
Nein, das wollte er gewiss nicht! Er verdrängte den Nebel vor seinen Augen, so gut es ihm möglich war, und hangelte sich hinab. Auch wenn er sich beeilte, die anderen beiden gewannen mehr und mehr Vorsprung. Er ließ den Speer fallenund versuchte, mit ihnen mitzuhalten.
Irgendwann gelangte er an dem Querschacht an, fand den Speer wieder, der sich in den Kettengliedern verfangen hatte, und stürzte mehr aus der Klappe, als dass er stieg.Sie hetzten durch die Nacht, auf den schützenden Wald zu.
Sinthoras wandte den Kopf.
Sämtliche Lichter der Himmelsfestung waren entzündet worden, die Fenster leuchteten hell, und ganz oben erstrahlten die Feuer selbst auf der Spitze der sechs Wachtürme. Ein wahrlich gebieterischer, Ehrfurcht einflößender Anblick! Ein lautes Rattern lag in der Luft, metallisches Quietschen mischte sich dazu, verstärkte sich zehnfach, zwanzigfach.
»Rennt!«, kreischte Karjuna voller Todesfurcht. »Ihr Halbgötter, rennt und bleibt nicht stehen!«
Sinthoras konnte nicht anders. Er musste verharren und sehen, was geschehen würde.
Die Türme bewegten sich!
Dann merkte er, dass er einer Täuschung erlegen war. Nur äußere Abschnitte in den Bauten fuhren rumpelnd zur Seite, gaben große und kleine Luken frei. Die Festung bekam unzählige Münder und Augen, in denen überall Lichter aufflammten. Ein Anblick, den er am liebsten auf der Stelle in einem Gemälde festgehalten hätte. Vor dem nächtlichen Himmel wirkte das Bollwerk fremd, nicht von dieser Welt.
Dunkle Hörner wurden geblasen, schrille Signalpfeifen erklangen.
Die ersten Verbindungssegmente wurden an den langen Ketten nach unten gelassen. Die Besatzung wollte die Räuber und Mörder nicht ungeschoren davonkommen lassen.
Sinthoras riss die Augen vor Staunen weit auf. Die Finsternis war erfüllt von Licht, das die Ebene erhellte. Hunderte Sterne stiegen aus der Festung in den Himmel. Sie schwirrten hoch, gegen die düsteren Wolken, in die Schwärze der
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