Legenden der Traumzeit Roman
Blick war ihr stets gefolgt, sein verächtliches Schnauben allgegenwärtig gewesen.
Aber sie hatte das Gefühl, dass James nicht nur auf sie wütend war, sondern auf die Einschränkungen des Lebens im Tal. Er war grob zu Ruby, nahm kaum Notiz von Violet, die er beharrlich Gladys nannte, und war wie ein eingesperrter Dingo in der Hütte hin- und hergetigert, während der Regen auf das Dach donnerte. Vielleicht würde er jetzt, nachdem der Regen aufgehört hatte, das Wirtshaus im Busch besuchen, und in Eden Valley würde Frieden einkehren. Doch das war eine egoistische Hoffnung, denn trotz der Tränen, die sie zu verbergen versuchte, liebte Ruby ihn.
Kumali schob die Gedanken beiseite und konzentrierte sich auf die vor ihr liegende Aufgabe. Sie hatten die oberen Berghänge erreicht, wo die Schafe wie weiße Wolken auf dem Grün verstreut waren. Die Ochsen trugen Fußfesseln, ebenso die Küheund Kälber, und sie grasten zufrieden innerhalb der Zäune, bei deren Errichtung sie geholfen hatte. Das Vieh wirkte gepflegt und gut genährt.
»Wir lassen das Vieh hier, bis wir sicher sind, dass der Regen endgültig vorbei ist«, sagte James und schob seinen Hut in den Nacken. »Duncan, setz deine Hunde an die Arbeit. Wir müssen die Anzahl überprüfen und sicherstellen, dass sie gesund sind.«
Auf Duncans Pfiff hin machten sich die eifrigen Hunde auf, hocherfreut, nach so vielen Wochen der Untätigkeit wieder frei zu sein. Er reichte Kumali die Zügel seines Pferdes, stieg ab und folgte seinen Hunden, den Stab in der Hand, die halb ausgebildeten Welpen mit ruhigen Worten zur Ordnung rufend, die dicht hinter ihm hertrotteten.
Als sie sah, wie zärtlich er die trächtigen Mutterschafe behandelte, wurde ihr warm. Sie hatte großes Glück gehabt, ihn zu finden, und empfand es als Segen, sein Kind unter dem Herzen zu tragen. Sie schaute zum klaren blauen Himmel auf und fragte sich, ob die Ältesten recht gehabt hatten, dass die Geister der Ahnen tatsächlich über ihr wachten, denn sie hatten ihr ein Zeichen gegeben, dem sie gefolgt war – es hatte sie zu diesem Mann geführt. Jetzt war sie endlich im Reinen.
Possum Hills, Hunter Valley, November 1850
Jessie schlug die Augen auf und war geblendet vom Licht, dass zwischen den mit Zweigmustern versehenen Vorhängen hereindrang. Sie wandte sich ab, und ihre Verwirrung wuchs, als sie die feinen Mahagonimöbel erblickte, den dicken Teppich und die kunstvoll gerahmten Bilder an der Wand. Sie hievte sich in den Kissen hoch, zupfte am Spitzenrand der feinen Bettwäsche und fuhr mit dem Finger über die Stickerei auf dem zarten Musselin-Nachthemd. »Wo um alles in der Welt …«
Die Tür ging auf, und Gerhardts lächelndes Gesicht tauchte auf. »Guten Morgen, Miss Searle. Wie ich sehe, sind Sie endlich aufgewacht.« Er kam mit langen Schritten ins Zimmer und brachte den Geruch frischer Luft mit sich. »Ich hoffe, es geht Ihnen besser?«
Jessie ließ sich in die Kissen gleiten und zog die Decke bis ans Kinn. »Wo bin ich?«
Er lächelte noch immer, als er sich in einen Sessel neben dem Bett setzte. »Sie sind auf Possum Hills, Miss Searle. Meine Mutter und ich sind sehr in Sorge gewesen, doch anscheinend hat der aus Newcastle geholte Arzt sich ausgezahlt und Sie sind endlich genesen.«
Jessie versuchte seine Worte zu verarbeiten, aber sie ergaben noch immer keinen Sinn. Dann fiel ihr die Überschwemmung ein, das Klettern auf das Dach und das endlose Warten auf Rettung. »Wie geht es Mrs. Blake und Mr. Lawrence? Haben Sie die beiden auch gerettet?«
»Es geht ihnen gut, und sie sind vor einiger Zeit zurückgekehrt, um die Missionsstation zu säubern.«
»Wie lange bin ich schon hier?« Sie verkroch sich noch tiefer unter die Decke, eingeschüchtert durch seine Gegenwart in diesem unbekannten Schlafzimmer.
Seine Miene wurde ernst. »Fast fünf Wochen.«
»Fünf Wochen?« Sie schnappte nach Luft, umklammerte das Laken und kroch auf die andere Seite des Bettes. »Ich muss wieder zurück zur Schule«, brabbelte sie. »Mr. Lawrence braucht meine Hilfe, und ich habe meine Pflichten lange genug vernachlässigt.«
»Sie rühren sich nicht vom Fleck!«, befahl er. »Sie waren sehr krank, und Mr. Lawrence ist sich durchaus bewusst, dass Sie eine ganze Weile nicht zurückkehren können.«
»Aber …«
Sein Ausdruck wurde milder. »Ich bewundere Ihre Entschlossenheit, wieder Ihren Pflichten nachzugehen, Miss Searle, dochda Sie gerade eine sehr schlimme Lungenentzündung
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