Legenden der Traumzeit Roman
fragen.«
»Oh, ich widme mein Leben der Kirche und meiner Arbeit mit den Eingeborenen. Ich habe die einzige Frau, die ich je haben wollte, geliebt und verloren. Sie kann niemals ersetzt werden.« Sein Grinsen war boshaft. »Im Übrigen, warum sollte ich wieder heiraten, wenn ich die ehrenwerte Hilda habe, die sich meiner annimmt?«
»Ich bin sicher, das wird ihr schmeicheln«, bemerkte sie nüchtern.
Peter war ihre spitze Antwort anscheinend nicht aufgefallen, denn seine Miene wurde ernst. »Dann hat Gerhardt also noch nicht um Ihre Hand angehalten?« Er schob die Lippen vor und schaute über die weiten Felder. »Ich frage mich, warum.«
»Vielleicht will er sich, ähnlich wie Sie, keine Frau aufbürden lassen.« Ihr Tonfall war unbeschwert, doch das Rätsel hatte sie im vergangenen Jahr beschäftigt.
»Er wirkte so versessen darauf.«
»Frieda ist die Vorkämpferin für sein Werben«, rief sie ihm ins Gedächtnis. »Vielleicht kann Gerhardt ihre Pläne einfach nicht durchkreuzen. Er ist ein aufmerksamer Freier und großzügiger Gastgeber, aber es gibt wenig Anzeichen dafür, dass er mehr als Freundschaft will – trotz der Ermutigung durch seine Mutter.«
»Wie geht es Ihnen damit?«
»Ich weiß nicht«, gab sie zu. »Er ist ein guter Umgang, liebenswert, sieht gut aus und ist reich. Wenn er meinen Arm nimmt oder mit mir tanzt, weiß ich sicher, dass er mich bewundert.« Sie zögerte. »Ich mag ihn …«
»Aber?«
»Ich weiß nicht, ob das, was ich empfinde, Liebe ist«, beichtete sie, »oder ob sie erwidert würde. Seine Manieren sind tadellos – nach zwölf Monaten Werbung vielleicht zu …« – krampfhaft suchte sie nach dem richtigen Wort – »… korrekt.« Sie beeilte sich mit einer Erklärung. »Dabei will ich mich gar nicht beklagen, und ich bin dankbar, dass er mich dermaßen respektiert, aber man sollte doch meinen …«
»Also suchen Sie eine intimere Beziehung?«
Jessie wurde rot. »Ja. Nein. Ach, ich weiß nicht«, sagte sie wütend. »Mal will ich mehr von ihm, dann wieder scheue ich davor zurück und möchte es lieber so halten, wie es ist. Die Crux an der Sache ist, er hat mir den Eindruck vermittelt, dass er mehr für mich empfindet als nur Freundschaft, und ich habe mich törichterweise in dieses eigenartige Werben hineinziehen lassen.«
»Warum ist es eigenartig?«
Sie errötete. »Er hat nie versucht, mich zu küssen«, gestand sie ein, »nicht einmal, wenn wir allein sind. Das verwirrt mich.«
»Mich überrascht es nicht.« Seine braunen Augen blickten sie fragend an. »Steht Abels Geist noch zwischen Ihnen?«
Sie spürte das vertraute Verlangen, unterdrückte es aber, denn obwohl es nur selten passierte, hatte es nicht an Kraft verloren. »Kann sein«, erwiderte sie, »aber ich gebe mir die größte Mühe, es nicht zuzulassen.«
»Dann ist das vielleicht Ihre Antwort«, sagte er leise. »Gerhardt merkt zweifellos, dass Sie noch immer auf Abels Rückkehr hoffen, und deshalb geht er die Sache so langsam an.«
»Ja, vielleicht.« Sie klappte ihren Fächer auf. »Können wir das Thema wechseln, Peter?«
»Natürlich, und ich bitte um Entschuldigung, wenn ich zu tief in Ihre persönlichen Angelegenheiten vorgedrungen bin.«
Sie wollte schon etwas erwidern, als sie das dumpfe Geräusch von Hufschlag vernahm.
»Wir bekommen Besuch«, sagte er und spähte ins Zwielicht, »und gerade rechtzeitig zum Abendessen. Ich warne lieber Hilda vor.«
Jessie beobachtete die sich nähernden Reiter, und ihr Herz schlug schmerzhaft, als sie wieder einmal die trügerische Hoffnung verspürte, es könne Abel sein. Aber als sie in den Schein der Laternen kamen, wurde ihre anfängliche Enttäuschung von Freude überlagert. »John! Daniel!« Sie lief die Stufen hinunter und warf sich John entgegen, der kaum absitzen konnte.
»Na, das nenne ich eine Begrüßung!« Mit dröhnendem Gelächter wirbelte er sie herum.
Daniel packte sie und drückte sie an sich, bis ihr die Luft ausging.
»Stell mich ab!«, keuchte sie, halb lachend, halb weinend.
»Ich nehme an, das sind Ihre Brüder«, sagte Peter.
Sie schaute zu ihnen auf – so groß, bärtig, so wunderbar vertraut. »Ja, das sind sie«, antwortete sie. »Ist das nicht wundervoll?«
Grinsend kratzte John sich den Bart. »Wir dachten, wir schauen mal vorbei, wie es dir so geht, aber ich sehe schon, dir geht es gut.« Er deutete mit dem Daumen auf Peter. »Ist das dein Mann, Jess?«
»Nein!« Sie wurde rot, als ihr klar wurde, wie grob
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