Legenden der Traumzeit Roman
damit Tommy und Duncan sie im Auge behalten und Hilfe leisten konnten, wenn sie ihre Lämmer warfen.
Sie schaute kurz zu Ruby hinüber. Eifersucht versetzte ihr einen Stich, als sie sah, wie sie mit Finn lachte. Das zu empfinden war ungerecht, denn sie mochte Finn, und Ruby war wieder glücklich, doch sie wünschte sich unwillkürlich, er wäre nicht gekommen. Sein Eintreffen hatte etwas verändert, und Kumali gefiel dieser Wandel nicht; er machte sie misstrauisch.
»Würdest du deine Gedanken auf das richten, was du tust, Mädchen? Das ist das zweite Mutterschaf, das du durchgelassen hast, und Tommy kann nicht die ganze Arbeit allein machen.«
Kumali entschuldigte sich rasch bei Tommy, der nur grinste. Sie mochte den Jungen, und Duncan lobte seine Arbeit. Obwohl er häufig Fehler machte, lernte er schnell.
»Geht es dir nicht gut, Kumali? Du bist mit den Gedanken woanders.«
»Dieser Finn ist immer bei Missus Ruby. Sie spricht nicht mehr mit Kumali, seitdem sie ihn hat.«
»Ach, Kumali, lass dem Mädchen eine Chance! Er ist ihr Vetter, verstehst du, und es ist gut, sie wieder lächeln zu sehen.«
Kumali ließ sich nicht aus ihrer finsteren Stimmung reißen. »Mit diesem Finn kann es viel Ärger geben, wenn der Boss zurückkommt. Dann werden sie kämpfen.«
Eine – nach jahrelangem Umgang mit Wolle – weiche Hand tätschelte ihr Knie. »Ach, das geht uns nichts an, Schätzchen, und ich bezweifle, dass wir James in nächster Zeit zu Gesicht kriegen werden. Also gibt es keinen Grund, sich Sorgen zu machen.« Er hievte Natjik mit Schwung aus der Satteltasche und setzte ihn auf seine Schulter, woraufhin der Kleine vor Freude juchzte. »Die Sonne steht hoch genug, lass uns was essen.«
Als sie unter die Bäume kamen, glitt sie aus dem Sattel und holte die schreiende Mookah aus ihrem Kokon. »Mookah schreit so wie Vi. Kumali bekommt Kopfschmerzen davon.« Sie setzte das Kind zwischen Duncans Knie ab und holte den Proviantbeutel.
»Gib ihr was zu kauen, Kumali. Sie kränkelt ein bisschen beim Zahnen, das arme Kind.«
Sie war wieder zur Ruhe gekommen, riss ein Stück Buschbrot ab und reichte es ihrer Tochter. Sie hatte nicht sauer auf sie sein wollen. »Komm zu Mama«, gurrte sie und versuchte, die Kleine mit Küssen zu besänftigen.
»Ach, du bist eine gute Mutter«, seufzte Duncan, der sich seine Mahlzeit mit Natjik teilte, »aber ich wünschte, du würdest einsehen, dass Ruby ihn braucht. Finn ist ein prima Kerl und kann außerdem gut mit Schafen umgehen. Weißt du, es muss für die junge Ruby eine große Erleichterung sein, einen Verwandten in ihrer Nähe zu haben.«
»Ruby war meine Freundin«, murrte sie, noch immer nicht beschwichtigt. »Finn kommt, und ich sehe Ruby nicht mehr.«
»Sie ist nach wie vor deine Freundin«, tröstete er sie, »aber sie hat ihre eigenen Winzlinge, um die sie sich kümmern muss, wie auch um dieses nette Anwesen hier.« Er küsste sie auf die Wange. »Geh nicht zu hart mit ihr ins Gericht!«
Kumali aß das kalte Huhn mit Buschbrot, lehnte sich an den Baum und beobachtete Ruby. Sie schlenderte mit Finn durch das hohe Gras; die Pferde folgten ihnen. Ihre Arme streiften wiederholt aneinander, ihre Schritte waren im Gleichklang, und er senkte den Kopf, um ihr zuzuhören. Jetzt schauten sie sich an, lachten wieder, und ihre Körper bewegten sich in perfekter Harmonie.
Kumali kniff die Augen zusammen, als Finn seinen Arm um Rubys Schulter legte und sie in den Schatten unter den Bäumen in der Ferne führte. Sie wirkten wie eine Familie, als sie sich die Kinder auf den Schoß setzten und gemeinsam ihre Mahlzeit einnahmen. Kumali schauderte. Merkte Ruby, dass sie Finn mehr liebte, als es einer Kusine zustand? Wusste sie, wie deutlich es ihr ins Gesicht geschrieben stand, wie es jeder ihrer Bewegungen anzusehen war? Ärger stand bevor, denn James würde es auf den ersten Blick erkennen.
Hunter Valley, September 1852
»Gerhardt, darf ich dir meine Brüder vorstellen?«
Gerhardt schlug die Hacken zusammen und nickte.
John und Daniel musterten ihn mit weit aufgerissenen Augen von seinen polierten Stiefeln bis zu seinem glänzenden Haar, nahmen den herrlich geschnittenen Gehrock, das makellose Hemd und die helle Hose in sich auf. Sie wischten sich die Hände an ihren schmuddeligen Hosen ab, bevor sie ihm die Hand schüttelten, und Jessie sah Unbehagen in Gerhardts Augen aufblitzen, als ihr stählerner Griff seine Finger zu zerdrücken drohte. Ihre Brüder verhielten sich
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