Legenden der Traumzeit Roman
schon immer eine schlechte Lügnerin«, erklärte er sanft. »Aber du trägst den richtigen Namen, denn du wirst rot wie Rubine.«
»Ich wusste nicht, dass du dort warst«, polterte sie los, »und ich hatte nicht vor, hinter dir herzuspionieren … aber …«
»Und ich nehme an, du hattest auch nicht vor, mich zu küssen?« Seine blauen Augen wurden dunkel.
Sie warf ihre kastanienbraunen Locken zurück. »Ich habe dir ein Küsschen auf die Stirn gegeben, um dir alles Gute zu wünschen, mehr nicht«, versetzte sie trotzig, »also komm gar nicht erst auf die Idee, du würdest mir etwas bedeuten.«
»Ach, Ruby, du brichst mir das Herz, wirklich.« Er lockerte seinen Griff, und als sie ein Stück zur Seite rutschte, schnappte er vor Schmerz nach Luft. »Was zum Teufel hast du mit mir gemacht?« Er schaute sich um und merkte plötzlich, wo er war. »Und wie lange bin ich schon hier?«
Ruby, noch immer verwirrt und unangenehm erhitzt, beschäftigte sich mit der Wasserschüssel, während sie ihm erzählte, was geschehen war. »Du hast ein Bein und einen Arm gebrochen und dir die Schulter ausgekugelt. Das ist drei Tage her.«
»Drei Tage?«
Sie beobachtete ihn aus halb geschlossenen Augen.
Finn sah die Schiene und den Verband an seinem Arm, seine bloße Brust und die Zehen lugten unter dem Laken hervor. Fragend schaute er sie wieder an.
»Deine Würde ist unangetastet«, versicherte sie ihm eilig. »Duncan hat dich bis auf deine schäbige Unterwäsche ausgezogen.« Sie war ein wenig beruhigt, als sie bemerkte, dass er rot wurde, und beeilte sich, ihm etwas zu essen und zu trinken zu holen. Nachdem er seinen Durst gelöscht hatte, hielt sie die Schüssel fest und fütterte ihn mit Suppe, doch er hatte keinen Appetit und gab schnell auf.
»Ich lasse dich jetzt schlafen«, sagte sie.
»Würdest du mir bitte mit den Kissen helfen, Ruby?«
Sie blickte ihn streng an und schüttelte die Kissen ziemlich kräftig auf. »Du hast einen gesunden Arm, Finn, und bist durchaus in der Lage, dich um deine Kissen selbst zu kümmern.«
Er grinste. »Ich weiß, aber es ist viel schöner, wenn du es machst.«
Ruby hätte am liebsten die Suppe auf ihn fallen lassen, doch ihr war klar, dass sie die Unordnung danach nur wieder beseitigen musste. »Du bist genauso schlimm wie die Kinder«, schimpfte sie. »Kann ich noch etwas für Eure Lordschaft tun, bevor ich wieder an meine Arbeit gehe?«
Ihr Sarkasmus schien ihn nicht zu beeindrucken; er fuhr sich mit der Hand über das Kinn. »Auf jeden Fall würde ich gern rasiert«, sagte er.
Ruby verschränkte die Arme. »Ach, eine Rasur, in der Tat? Und woher willst du wissen, dass du mir mit einem so scharfen Instrument trauen kannst, nachdem du meine Geduld so hart auf die Probe gestellt hast?«
»Weil du mich liebst.«
Sie starrten sich an, die Worte hingen zwischen ihnen.
»Ich hole das Rasiermesser.« Ruby schlug das Herz bis zum Hals, während sie Seifenschaum in einer Schale anrührte und James’ Rasiermesser und den Streichriemen suchte. Er hatte sie verspottet, die Worte waren ihm unwillkürlich und unüberlegt über die Lippen gekommen, doch ihre Wahrheit war ihnen beiden nicht entgangen, und sie fragte sich, ob er es die ganze Zeit gewusst hatte.
Sie weigerte sich, ihn anzusehen, als sie das Messer schärfte, sich auf das Bett hockte und ein Handtuch auf seine Brust legte, doch als sie den Pinsel in den Schaum tauchte und sein Kinn einseifte, konnte sie seinem stetigen Blick unmöglich ausweichen. »Mach die Augen zu!«, befahl sie.
»Ich schaue lieber zu – ich habe nur selten eine scharfe Klinge so nah an meiner Kehle, und ich will sichergehen, dass du eine ruhige Hand hast.«
Ihre Hand war alles andere als ruhig, als sie das Rasiermesser nahm, und sie musste tief durchatmen, bevor sie anfangen konnte. Er hielt den Blick fest auf sie gerichtet, als sie sich über ihn beugte. Die Luft war geladen und zog sie in die Vertrautheit des Augenblicks hinein; ihre Finger berührten sein Gesicht, und das Messer machte seinen ersten, vorsichtigen Schwung. Sie konzentrierte sich auf sein Kinn, spannte die Haut, wo das Haar in einer Vertiefung wuchs, fuhr mit der Klinge durch den Schaum über seiner Lippe und an seinem Kiefer. Ihr stockender Atem mischte sich mit dem seinen, während sein Blick sie verfolgte, und sie sah seine Halsschlagader pochen, als sie das dichte, dunkle Haar entfernte.
Ihr Rücken schmerzte von der gebückten Stellung über ihm, ihre Nerven waren zerfetzt.
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