Legenden der Traumzeit Roman
hörten sie nicht, spürten nicht das Rumpeln der Räder, denn sie hatten alles um sich herum vergessen.
Vierzehn
Eden Valley, Dezember 1853
R uby seufzte vor Freude, als sie in den kühlen Schatten kam. Die Sonne blendete und drang ihr durch die Kleidung bis auf die Haut. Sie hielt ihr Pferd an, wischte sich über das verschwitzte Gesicht und trank einen tiefen Schluck aus der Wasserflasche. Nachdem ihr Durst gestillt war und die kühle Brise ihre Bluse getrocknet hatte, folgte sie dem gewundenen Pfad auf der Suche nach nicht gebrandmarkten Buschrindern, während die Rufe und Pfiffe der anderen unter den Bäumen widerhallten.
Die Herde, die mit ihrem Geschenk an James, einer Kuh und einem Kalb, ihren Anfang genommen hatte, war im Lauf der Jahre ergänzt worden, und jetzt hatten sie mehr als vierzig Tiere zusammenzutreiben, die Kälber vom Frühjahr nicht eingerechnet, die noch mit einem Brandmal zu versehen waren, um sie vor Diebstahl zu schützen. Viehdieben zuvorzukommen war ein beliebter Zeitvertreib, und Ruby wusste, dass Geschwindigkeit zählte.
Ihre scharfen Augen erblickten einen bleichen Schimmer im Schatten, und sie drehte sich in die Richtung. Die beiden Kühe hatten gegrast, doch als Ruby näher kam, rannten beide weg. Ruby trieb ihr Pferd zum Trab an und schlängelte sich zwischen den Bäumen hindurch in dem Versuch, die Kühe auf die Lichtung zu treiben. Als sie den Rand des Busches erreichte, schloss Fergal sich ihr an, der ihr half, die widerwilligen Tiere in den Sammelpferch zu steuern.
»Wir könnten zwei Rinderhunde gebrauchen«, sagte sie, zogden Hut vom Kopf und tupfte sich die Stirn ab, »aber es lohnt sich nicht so richtig für die kurze Zeitspanne, in der wir sie einsetzen würden.« Aufseufzend lehnte sie sich an das Gatter des Pferches und betrachtete das umherlaufende Vieh. »Inzwischen dürften wir die meisten haben; sobald wir die Tiere gebrandmarkt haben, beschließen wir, welche wir behalten und welche verkauft werden.«
»Und welche wir essen. Es ist schon eine Weile her, seit ich ein gutes Rindersteak hatte«, sagte Fergal.
Ruby nickte, und bei dem Gedanken daran lief ihr das Wasser im Mund zusammen. Duncan und Tommy bereiteten das Feuer und die Brandeisen vor, und sie fragte sich, was die Kinder wohl machten. Kumali war im Haus geblieben, um auf sie aufzupassen – hier war es für sie viel zu gefährlich –, und sie hoffte, das Mädchen hatte daran gedacht, sie aus der Sonne zu halten. Violets blasse Haut verbrannte leicht, was eine beständige Sorge war.
Ein durchdringender Pfiff ertönte, und sie schauten sich zum Busch um. »Das wird Finn sein«, sagte Ruby. »Kommt alle, er braucht Hilfe.«
Sie stiegen auf und galoppierten in den Busch, Finns Pfiffen folgend. Als sie ihn schließlich erblickten, versuchte er gerade, einen aufgebrachten Bullen aufzustöbern. Ruby gab den anderen ein Zeichen, sich zu verteilen, damit der Bulle zwischen ihnen laufen musste.
Der Bulle blieb stehen, beäugte sie kampflustig und brüllte seine Wut heraus, als Finns Peitsche knallte. Er stellte die Beine breit und senkte den Kopf, trampelte auf dem Boden und schnaubte.
»Halte dich von ihm fern, Ruby«, befahl Finn, »und nimm dich vor den Hörnern in Acht!«
Sie brauchte seine Warnung nicht, denn sie wusste, wie gefährlich so ein Tier sein konnte. Sie hielt ihr zitterndes Pferd in sicherem Abstand, pfiff und schlug mit der Peitsche, um denBullen voranzutreiben. Er schüttelte den Kopf und trabte mit Gebrüll zielstrebig auf das Licht am Ende des Tunnels aus Bäumen zu. Sie blieben an seiner Seite, pfiffen und riefen, um ihn in Bewegung zu halten, während Finn die Nachhut bildete.
Just in diesem Augenblick schoss ein Emu zwischen den Bäumen hervor und lief dem Bullen direkt in den Weg. Der Bulle blieb stehen und brüllte. Der Vogel, desorientiert und ängstlich, schlug mit den Schwanzfedern und stieß einen tiefen, trommelnden Alarmruf aus. Finns Pferd scheute, als der Bulle schnaubte, sich umdrehte und anzugreifen drohte.
Der Emu lief im Kreis und floh.
Finns Pferd war erschreckt, tänzelte, stieg auf und wieherte in panischer Angst.
Mit gesenktem Kopf und donnernden Hufen raste der Bulle darauf zu.
Finn riss an den Zügeln, um das Pferd zu wenden und den grausamen Hörnern zu entkommen. Während Ruby die größte Mühe hatte, ihr eigenes Pferd unter Kontrolle zu halten, schienen sich alle Bewegungen in entsetzlicher Klarheit zu verlangsamen.
Das Horn des Stiers traf Finns
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