Legenden der Traumzeit Roman
noch auf der Veranda steht.«
Er sah sie scharf an, durchschritt den Raum in der Länge und schloss die Hintertür auf. »Das ist Ihre Unterkunft. Sie muss jederzeit in ordentlichem Zustand sein.«
Jessie war angenehm überrascht von der Geräumigkeit. Das Sonnenlicht strömte durch das Fenster und bildete einen Kreis auf dem frisch gehobelten Boden. Darin befanden sich ein Eisenbett, ein Waschtisch mit einer schlichten weißen Schüssel und einem Krug, ein Nachtgeschirr, ein Tisch und ein Stuhl, die unter dem Fenster standen. Holznägel für ihre Kleidung waren auf der Innenseite der Tür eingelassen, eine kleine Kommode mit Schubladen thronte in einer Ecke, und Geschirr und Besteck waren in Wandregalen deponiert, die mit hübschem Papier ausgelegt waren.
Sie betrachtete die Matratze und das fein säuberlich gefaltete Laken, das neben einer Steppdecke am Fußende des Bettes bereitlag. »Danke, Mr. Lawrence«, sagte sie. »Das ist sehr ansprechend.«
Er blieb noch im Türrahmen stehen. »Die Steppdecke haben die Damen der Gemeinde angefertigt, und sie haben mich auch angewiesen, wie ich den Raum auszustatten hatte.«
»Wo kann ich waschen?«
Er räusperte sich, offensichtlich unangenehm berührt. »Die anderen Wirtschaftsräume befinden sich draußen, Miss Searle.« Das Monokel baumelte vor seiner ausladenden Brust, als er prüfend auf seine Uhr schaute. »Ich gehe jetzt, damit Sie sich einrichten können. Das Abendessen ist um sechs in meinem Esszimmer. Seien Sie pünktlich!«
Jessie stand in der Mitte des Raumes und sah den Staubflocken zu, die in den Sonnenstrahlen tanzten. Irgendwo summte eine Fliege, und in der Ferne vernahm sie Vogelgezwitscher, doch die Hitze und die Stille waren erdrückend.
»Mach das Beste draus, Jess!«, murmelte sie vor sich hin, »denn mehr ist nicht drin.« Der Gedanke war niederschmetternd – die Sehnsucht nach der Heimat und der Gesellschaft ihrer Brüder war fast unerträglich. »Mach schon, Jess!«, zischte sie. »Nichts kann dich besser vom Denken abhalten als Arbeit.«
Sie stellte ihre Tasche auf den Stuhl, setzte ihre Haube ab und rollte die Ärmel auf. Sie riss die Fenster auf und sah Mr. Lawrence’ Rosen. Lächelnd wandte sie sich ab. Er würde schon bald feststellen, dass das Schaufeln von Pferdedung nicht auf dem Stundenplan stand.
Die Matratze war sauber, wenn auch ein wenig klumpig, das Kissen dünn, doch das Laken war kühl und gut gestärkt. Die Decke ließ sie beiseite, denn sie war viel zu warm, bezog das Bett fertig, breitete die Steppdecke darüber und trat zurück, um die Wirkung zu bewundern. Sie nickte zufrieden, ging zur Veranda zurück und holte ihre Kleidung aus der Truhe.
Ihr sauberes Kleid, zwei Röcke und die beste Jacke hängte sie an die Türhaken, Unterröcke, Blusen und Unterwäsche legte sie in die Schubladen, zusammen mit dem kleinen Lavendelbeutel, den sie von zu Hause mitgebracht hatte. Ihre Ersatzstiefel stellte sie ordentlich unter den Waschtisch; Bürste, Kamm und eine Schachtel Haarnadeln fanden ihren Platz neben Schüssel und Krug.
Ganz unten in ihrer Reisetasche entdeckte sie die lederne Schreibmappe, die ihre Mutter ihr geschenkt hatte, nachdem sie zur Lehrerausbildung zugelassen worden war. Liebevoll fuhr sie mit der Hand darüber; sie atmete den Duft ein in Erinnerung an die Frau, die erst vor fünf Jahren – viel zu jung – gestorben war. Sie legte die Mappe auf den Tisch und zog den letzten, aber vielleicht kostbarsten Besitz hervor.
Das hellblaue Umhängetuch hatte dichte Fransen und war mit Blüten und Schmetterlingen in allen Farbschattierungen bestickt. Die Qualität des Materials und der Stickerei war nicht zu leugnen, und zum ersten Mal fragte sich Jessie, woher ihre Großmutter es wohl hatte. Sie glaubte nicht, dass es ein Geschenk gewesen war, denn obwohl die alte Dame über eine Verbindung zum Adel gesprochen hatte, verkehrten sie nicht mit Leuten, die sich solche Dinge leisten konnten.
Sie drapierte das Tuch über eine Ecke des Tisches, blinzelte, um ihre Tränen zu unterdrücken, und begab sich auf einen Erkundungsgang. Gekocht wurde über einem offenen Feuer, über dem ein rostiger Eisengrill lag, und in einem getrennten, dickbäuchigen Backofen. Diese Freiluftküche besaß keine Wände, sondern nur ein Wellblechdach, das auf vier stabilen Pfosten ruhte. Diese Konstruktion stand in einiger Entfernung von den Gebäuden, vermutlich wegen der Brandgefahr. Sie verzog das Gesicht, als sie die Spinnweben sah,
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