Legenden der Traumzeit Roman
die ich in der Gemeinde tue, Ihren Anteil haben.«
»Ich bin erst neunzehn, Sir«, protestierte sie. »Ich will nicht als alte Jungfer enden.«
»Dann haben Sie den falschen Beruf erwählt, Miss Searle«, entgegnete er. »Wenn Sie dieser wichtigsten Regel nicht Folge leisten, werde ich Sie ohne Empfehlung entlassen.«
»Bei meinem Vorstellungsgespräch war davon nicht die Rede.«
»Das hier ist meine Schule und meine Kirche«, fuhr er sie an. »Wenn Sie unglücklich sind, dann schlage ich vor, dass Sie sich eine andere Stellung suchen.«
Jessie hielt seinem wütenden Blick stand, während ihre Gedanken sich überschlugen. »Ist Ihnen nicht bewusst, dass mein Ruf womöglich schon zerstört ist, weil wir allein sind?«
»Sie können versichert sein, Miss Searle, dass ich keine Gefahr für Sie darstelle; außerdem wird meine Haushälterin Mrs. Blake eine geeignete Anstandsdame sein.«
Jessie war erleichtert, als sie von der Haushälterin hörte, denn bisher hatte es keinen Hinweis auf eine solche gegeben. Die Hoffnung, dass diese sich als freundlicher als ihr Arbeitgeber erweisen könnte, keimte in ihr auf. Das Verbot der Geselligkeit erzürnte sie noch immer. »Wie ich hörte, waren Ihre Eltern Missionare«, erwiderte sie mit einer Ruhe, die ihre Wut Lügen strafte. »Hat Ihre Mutter unterrichtet?«
»Damals war alles anders«, sagte er abwehrend, und seine stechenden Augen wurden schmal. »In den ersten Jahren war das hier eine gottlose Gegend, und die fromme Selbstaufopferung meiner Mutter bedeutete, dass viele eingeborene Kinder zu Gott geführt wurden. Mein Vater hat sie im Fluss getauft, und ihm ist die Ehre zuteil geworden, dass er nach ihm benannt wurde.«
Er hatte auf alles eine Antwort, und Jessie wusste, dass sie besiegt war. Hier war es so einsam, dass sie wahrscheinlich monatelang niemanden sehen, geschweige denn eine andere Stelle finden würde. »Ich bin mit Ihren Bedingungen einverstanden«, sagte sie förmlich. »Jetzt würde ich mir gern das Klassenzimmer und meine Unterkunft ansehen.« Sie erhob sich mit aller Würde, die sie aufbringen konnte.
Er griff nach seiner Bibel und einem Schlüsselbund und führte sie ins Freie. Jessie bemerkte, dass er ihre Truhe umrundete, ohne ihr Hilfe beim Tragen anzubieten, also ging auch sie hoch erhobenen Hauptes daran vorbei.
»Das ist Mrs. Blakes Kate«, sagte er und zeigte darauf. »Sie werden sie heute Abend kennenlernen. Die Kirche ist abgeschlossen, wenn kein Gottesdienst stattfindet, aber natürlich haben Sie die Erlaubnis, diesen Schlüssel zu benutzen, falls Sie beten wollen.«
Jessie nahm den Schlüssel an sich, betrachtete die Kirche undbeeilte sich, Mr. Lawrence über den unebenen Boden zu folgen. Sein Monokel baumelte am schwarzen Band.
»Hinter den Bäumen dort ist ein Eingeborenenlager, aber sie dürfen das Anwesen nur betreten, um zu arbeiten oder zur Kirche zu gehen. Ich fördere keine Verbrüderung, und Sie dürfen dort niemals allein hingehen. Da ist es unappetitlich und für eine weiße Frau gänzlich unpassend.«
Jessie bemerkte seine hängenden Mundwinkel, und ihr war klar, dass er die Aborigines trotz seiner Stellung als Pfarrer und Missionar nicht mochte.
»Das Schulhaus wurde vor fünf Jahren gebaut, und seither ist die Anzahl der Kinder von Jahr zu Jahr gestiegen«, erklärte er stolz und schloss die Tür auf.
Dahinter lag ein großer Raum. Pulte und Bänke waren ordentlich vor der Tafel aufgereiht, die an einer Wand aufgestellt war. Auf der einen Seite des Zimmers befand sich ein Kamin, eine Reihe Holznägel zierte die andere, jeder mit einem Namen beschriftet. Ihr Pult stand auf einem niedrigen Podest, daneben ein unbequem aussehender Stuhl, und an der Wand hing eine große Weltkarte – das British Empire war rosarot eingefärbt. Eine ziemlich strenge Königin Victoria wachte über dem Raum; der Bilderrahmen war mit dem Union Jack geschmückt.
Das Licht, das durch die vier Fenster drang, wurde von den Bäumen draußen getrübt und warf kühle grüne Schatten auf den abgenutzten Boden und die offenen Dachbalken. Sie betrachtete das Wellblechdach und vermutete, dass es bei Regen fast unmöglich wäre, sich verständlich zu machen.
»Wir haben Schiefertafeln und jede Menge Kreide, und jedes neue Kind bekommt eine Bibel geschenkt. Die werden hier drin aufbewahrt«, sagte er und öffnete einen Schrank. »Ich hoffe, Sie haben daran gedacht, die Bücher mitzubringen, die ich bestellt habe?«
»Sie sind in der Truhe, die
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