Legenden der Traumzeit Roman
Pistolen hoch. »Die haben Vater gehört. Wo um alles in der Welt haben sie die gefunden?«
Die blauen Augen funkelten vor Wut. »Sie haben behauptet, sie wären hinter den Stallungen vergraben gewesen, aber ich glaube, sie haben ihrer Täuschung noch eine Lüge draufgesetzt.«
»Das geht zu weit, Gertrude«, ermahnte Harry sie. »Mein Sohn ist kein Lügner.«
»Kann sein«, schnaubte Gertrude, »aber die beiden sahen aus wie kleine Sünder, als ich sie oben im Baumhaus erwischt habe, und Frederick führt immer irgendwas im Schilde. Sie verheimlichen etwas, ich weiß es einfach.«
Harry hätte am liebsten geschmunzelt bei der Vorstellung, wie seine prüde Schwester in ein Baumhaus kletterte, doch er wusste, das würde zu noch mehr eisiger Kälte führen. »Wir werden mit den Jungen sprechen«, sagte er ruhig. »Danke, Gertrude.«
»Ich werde die hier mitnehmen und verbrennen«, sagte sie und griff nach den anstößigen Waffen.
Oliver hielt ihre Hand rasch fest. »Du lässt sie hier liegen, Gertrude«, sagte er bestimmt. »Sosehr mir Waffen jeder Art missfallen, die hier sind ein wertvolles Familienerbe.«
Harry konnte seinen Standpunkt nachvollziehen, doch die Duellpistolen seines Vaters und der Säbel erinnerten ihn an einen Mann, der von Gewalt besessen gewesen war; sie gemahnten daran, wie schnell solche Waffen missbraucht werden konnten, und die Schatten der Vergangenheit legten sich über ihn.
»Schick die Jungen herunter, Gertrude!«, befahl er leise. Er wartete, bis Gertrude, alles andere als besänftigt, den Raum verließ, und als die Tür hinter ihr zufiel, sah er seinen Bruder an. »Was willst du damit machen?«
»Verkaufen. Sie sind für mich nicht von Nutzen, und das Geld kann ich gut gebrauchen.« Er steckte den Säbel in die Scheide und strich über den Elfenbeingriff einer Pistole. »Sie dürften ein hübsches Sümmchen einbringen, und ich kenne genau den Mann, der sie womöglich kauft.«
»Gut. Je eher sie aus dem Haus sind, desto besser. Ich frage mich, wo die Jungen sie wirklich gefunden haben und was noch dabei war. Sie sehen auf keinen Fall so aus, als wären sie vierzig Jahre vergraben gewesen.«
Das zögerliche Klopfen an der Tür beendete jede Diskussion, und Harry drehte sich um. Zwei ängstliche Jungen schlichen herein. Sie wirkten reichlich zerknirscht, hatten die Augen niedergeschlagen und traten von einem Fuß auf den anderen, die Hände fest hinter dem Rücken verschränkt. Ob sie den Ernst ihres Vergehens wirklich vollständig begriffen hatten? »Was hast du zu deiner Verteidigung vorzubringen, Charles?«
»Es tut mir leid, Sir«, stammelte der Junge, und sein Gesicht lief rot an.
»Tut es dir leid, weil man dich erwischt hat oder weil du nicht die Wahrheit über den Fundort gesagt hast?« Harry beobachtete das Gesicht seines Sohnes und bemerkte den verschwörerischenBlick, den er Freddy zuwarf. »Rede!«, blaffte er. »Und ich will die Wahrheit hören.«
»Ich habe sie gefunden, Sir«, unterbrach Freddy. »Sie waren im alten Kinderzimmer, oben auf dem Speicher.«
»Stimmt das, Charles?«
Er nickte, den Blick fest auf die Füße gerichtet.
»Du hast deine Tante also angelogen?«, knurrte Oliver.
Freddy murmelte eine Bestätigung vor sich hin. »Tut mir leid, Sir, aber sie hat uns zu Tode erschreckt, und das ist mir als Erstes eingefallen.«
Harry musste sich ein Lachen verkneifen. Gertrude würde die meisten in Angst und Schrecken versetzen, und an Stelle der Jungen hätte er es wahrscheinlich genauso gemacht. »Was habt ihr sonst noch auf dem Speicher gefunden?«
»Karten und so – und ein Fernglas.«
»Die würde ich mir gern ansehen.« Oliver kam um seinen Schreibtisch herum und nahm die dünne Gerte zur Hand, die auf dem Bücherregal lag. »Ihr könnt mir die Sachen zeigen, nachdem ihr eure Strafe entgegengenommen habt.«
»Ich denke, sie brauchen keine weitere Züchtigung«, mischte Harry sich ruhig ein. Er glaubte nicht an körperliche Strafe als Mittel zum Gehorsam. »Es hat niemand Schaden genommen, und solange wir den gesamten Umfang ihres Schatzes entdecken, können wir sicher sein, dass sich die Vorkommnisse nicht wiederholen.« Er betrachtete die Jungen, die einvernehmlich nickten.
Oliver legte die Gerte zurück und ließ sich wieder in seinen Sessel fallen. »Ich habe keine Lust, die Jungen zu schlagen«, gab er zu, »aber Gertrude wird mir so lange in den Ohren liegen, bis ich etwas unternehme.«
Harry hatte den Verdacht, dass ihre Stiefschwester
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