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Legion der Morgenroete

Legion der Morgenroete

Titel: Legion der Morgenroete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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im Glockenturm, während jemand an den Strängen zieht", murmelte Bowgentle mit erschrockenen Augen.
    Die Gesichter aller waren blaß und angespannt. Hawkmoon schritt mit ausgestreckten Armen in die Halle zurück, auf das Schwert der Morgenröte zu. D'Averc rief ihm nach: „Was befürchtest du, Dorian? Einen Angriff durch das Dunkle Imperium?"
    „Das Dunkle Imperium", echote Hawkmoon, „oder durch etwas Übernatürliches."
    Ein dritter Glockenschlag dröhnte und hallte über die weiten Marschen der Kamarg hinweg, über die Lagunen und das Schilf. Flamingos flatterten, aufgescheucht von dem Lärm, in die Höhe.
    Ein vierter Glockenschlag, lauter noch und unheilschwer. Graf Brass holte sein Breitschwert.
    Ein fünfter. D'Averc hielt sich die Ohren zu.
    Ein sechster. Yisselda rannte im Nachtgewand die Treppe herunter. „Was ist das, Dorian? Vater - was ist es? Es hört sich wie das Schlagen einer riesigen Turmuhr an."
    Oladan blickte düster hoch. „Mir scheint, es bedroht unsere Existenz", murmelte er. „Obgleich ich nicht weiß, weshalb ich das denke."
    Ein siebter Schlag löste die Stukkatur an der Decke, und die Burg erbebte in ihrem Fundament.
    „Wir schließen lieber die Tür", rief Graf Brass.
    Hawkmoon half ihm, den schweren Eisenriegel vorzuschieben.
    Ein achter Schlag rüttelte die Halle. Unwillkürlich preßte jeder die Hände gegen die Ohren. Ein riesiger Schild, der seit undenkbaren Zeiten an der Wand gehangen hatte, fiel herab und rollte klirrend über den Marmorboden.
    Die Diener kamen nun in die Halle gerannt. Sie befanden sich zweifellos in Panik.
    Ein neunter Schlag, und die Fensterscheiben zersprangen. Glassplitter regneten durch die Halle. Diesmal war es Hawkmoon, als befände er sich auf See und sein Schiff sei plötzlich auf ein Riff gelaufen, denn die ganze Burg schwankte, und sie konnten sich kaum noch auf den Beinen halten. Yisselda fiel, doch Hawkmoon fing sie, ehe sie auf dem Stein aufschlug. Er hielt sich an einer Säule fest, um nicht selbst umgeworfen zu werden. Der hallende Schlag verursachte ihm Übelkeit. Er vermochte auch nur noch wie durch einen Schleier hindurchzusehen.
    Das zehnte Mal donnerte der Schlag. Es schien, als erbebe die ganze Welt, und das Universum selbst war von diesem ohrenbetäubenden Hallen erfüllt, das das Ende prophezeite.
    Bowgentle kippte ohnmächtig auf den Boden. Oladahn taumelte wie betrunken. Er brach schließlich ebenfalls auf dem Marmor zusammen. Hawkmoon hielt verzweifelt Yisselda fest, obgleich er kaum noch imstande war, seinen eigenen Halt an der Säule zu bewahren. Ihm war entsetzlich schwindlig, und sein Schädel pochte. Als das Hallen erstarb, hörte er d'Averc rufen. „Dorian, sieh dir das an!"
    Mit dem Arm stützend um Yisselda, gelang es ihm, den Tisch zu erreichen. Er holte laut Luft, als er sah, daß Mygans Kristallringe zersplittert waren.
    „Aus mit unserer Partisanentaktik", sagte d'Averc heiser. „Vielleicht ist es sogar das Ende aller unserer Pläne."
    Der elfte Schlag dröhnte. Er war tiefer und lauter als der vorherige. Die Burg wankte so stark, daß sie alle auf den Boden geschleudert wurden. Hawkmoon schrie vor Schmerz, als das Hallen seinen Schädel zu zerreißen drohte. Alles bebte, und er rollte hilflos mit den anderen auf dem Boden hin und her, den Mächten ausgeliefert, die die Burg zu ihrem Spielball machten.
    Als wieder eine Pause einsetzte, kroch er auf Händen und Füßen auf Yisselda zu und versuchte verzweifelt, sie zu erreichen. Tränen des Schmerzes strömten über sein Gesicht, und er spürte, daß er aus den Ohren blutete. Verschwommen sah er Graf Brass sich am Tisch hochziehen. Auch aus seinen Ohren sickerte Blut. „Wir sind vernichtet!" hörte er den Älteren sagen. „Vernichtet von einem feigen Feind, den wir nicht einmal sehen können! Vernichtet von einer Kraft, gegen die unsere Schwerter nutzlos sind!"
    Hawkmoon kroch weiter zu Yisselda, die reglos auf dem Boden lag.
    Und nun schlug die Glocke zum zwölften Mal -noch viel lauter und furchtbarer denn je zuvor. Die Steine der Burg drohten zu zersplittern. Das Holz des Tisches zersprang. Der Marmorboden barst. Die Burg wurde wie Kork in einem Sturm herumgewirbelt. Hawkmoon brüllte nun vor Qual, als die Tränen von Blut verdrängt wurden, das aus seinen Augen quoll.
    Dann wurde der tiefe Ton von einem anderen begleitet - ein unnatürlich schriller Laut -, und Farben fluteten in die Halle. Zuerst ein Violett, danach ein Purpur, gefolgt von Schwarz. Millionen

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