Legionen des Todes: Roman
Stockwerke weiter unten nach ihr riefen, doch sie hatte nicht mehr genug Luft, um ihnen zu antworten. Ihre Lunge zog sich immer weiter zusammen, eingeschnürt von einer Atemnot, die sich wie eine Würgeschlange um ihren Hals und Brustkorb legte. Schweiß ließ ihre Haare am Kopf festkleben und tropfte stechend in ihre Augen.
Missy ließ die letzten Stufen hinter sich und stürzte auf den dünnen Lichtschein zu, der durch den Spalt unter der Tür zum Dach drang. Ohne auch nur einen Sekundenbruchteil lang daran zu denken, was auf der anderen Seite auf sie warten könnte, schlug sie mit ihrer Hand auf den Türriegel ein und platzte hinaus ins Freie.
»Nein!«, brüllte Phoenix, der zehn Meter vor ihr flach ausgestreckt auf dem Rücken lag. Die Augen geweitet vor Angst, streckte er einen von schimmerndem Blut überzogenen Arm nach ihr aus und versuchte aufzustehen.
Alles, woran Missy denken konnte, war, zu ihm zu rennen. Sie bemerkte den Schatten, der hinter der offen stehenden Tür hervortrat, nicht einmal, spürte nicht den eiskalten Atem in ihrem Nacken. Ihr T-Shirt blieb an etwas hängen, spannte an ihrem Brustkorb und Hals, sodass sie kaum noch vorwärtskam.
»Phoen…!«, schrie sie kreischend. Der Name endete in einem Pfeifen.
Aus dem Augenwinkel sah sie etwas Schwarzes aufblitzen, das unterhalb ihres Kinns wieder aus ihrem Blickfeld verschwand. Was auch immer sie eben noch festgehalten hatte, ließ sie wieder los, und Missy stolperte vorwärts. Eisnadeln bohrten sich in ihren Nacken. Ihre Brust fühlte sich plötzlich heiß und nass an.
Missy versuchte noch einmal, nach Phoenix zu rufen, doch sie hatte keine Stimme mehr. Stattdessen verwandelte sich das Pfeifen in einen gurgelnden Schwall von Flüssigkeit.
Phoenix stemmte sich hoch und stürzte in ihre Richtung.
Der Boden kam schnell näher. Blut spritzte ihr entgegen wie aus Eimern. Missy hob ihre Hände an den Hals und legte sie auf die parallel verlaufenden, klaffenden Schnitte. Ihr Mittelfinger versank so tief in einem davon, dass sie den darunterliegenden Knorpel spüren konnte.
Phoenix war noch zu weit weg, um sie aufzufangen. Ein Blutschwall spannte sich bogenförmig über die noch zwischen ihnen liegenden Meter.
Missy stürzte in die Dunkelheit, hinüberbegleitet in die Vergessenheit von Phoenix’ schmerzverzerrtem Schrei.
V
Phoenix spürte, wie sein Herz aufhörte zu schlagen, als sein Blick dem der Bestie begegnete. Der schwarz geschuppte Tod strahlte pure Macht aus wie ein radioaktives Isotop. Zorn. Hass. Und dennoch lag eine kontrollierte Ruhe in seiner Haltung und seinem Gesichtsausdruck, die Tods unerschütterliches Selbstbewusstsein untermauerte und keinen Zweifel daran ließ, dass er Phoenix mit derselben Leichtigkeit abschlachten würde, wie er es nur wenige Stunden zuvor getan hatte.
»Verlass diesen Ort«, sagte Phoenix, überrascht wie fest seine Stimme klang, obwohl er am ganzen Körper zitterte. »Du hast deine Aufgabe erfüllt, jetzt kehr dorthin zurück, woher du gekommen bist.«
Die Worte verwirrten Phoenix. Sie waren aus seinem Mund gekommen, doch ihr Ursprung war ihm rätselhaft. Ein Kribbeln wogte durch seinen Körper, als wäre er das Werkzeug einer Macht, die weitaus größer war als er.
Tod knurrte und ließ seine in mehreren Reihen hintereinanderstehenden, rasiermesserscharfen Zähne sehen.
»Diese Welt gehört jetzt mir«, sagte er mit einer Stimme von der Durchschlagskraft eines Erdrutsches und schlug in gieriger Erwartung dessen, was kommen würde, seine Klauen gegeneinander.
Phoenix musste schnell handeln. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Missy das Dach erreichen und ihn verwundbar machen würde.
»Lass mich mit meinem Bruder sprechen«, sagte Phoenix.
Die Bestie lachte – ein grässliches Geräusch, wie das Husten eines Verwundeten, dessen Lunge sich mit Blut füllt.
»Alles Menschliche ist ausgelöscht. Das Werkzeug hat die Prophezeiung erfüllt. Sein Körper gehört jetzt mir allein.«
War da ein Hauch eines arabischen Akzents in Tods Stimme gewesen?
Phoenix lächelte.
Rasend vor Zorn stürzte Tod vorwärts, warf den mächtigen Kopf in den Nacken und ließ den geschuppten Kehlsack zittern. Der Junge hatte den Weg zurück aus dem Grab gefunden, und er würde ihn auf direktem Wege wieder zurückschicken. Phoenix war nur Fleisch und Blut, das Erbe der Menschen haftete an ihm, und er war nicht gefährlicher als ein Lamm. Nur würde Tod dieses Mal jede einzelne Sekunde genießen, wenn er ihn
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