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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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vollsog. An einer Tankstelle kaufte ich mir Zigare t ten. Der erste Zug haute mich fast um, doch mit den alten Lastern kam auch die Optik ins Lot.
    Den Männern mit den schwarzen Jacken und Trenc h coats war ich während der Pressekonferenz durch ein Klofenster entwischt. Ich würde ihnen nicht ewig davo n laufen können, aber erst einmal wollte ich nach Hause. Sollten sie mich dort zu den notwenigen Befragungen abholen.
    Zur Pressekonferenz im LRF war so viel Fernsehen und Presse erschienen wie schon lange nicht mehr zu öffentlichen Verlautbarungen über langweilige Erfolge der europäischen Raumfahrt. Die Herren von der ESA und des LRF trugen nervöse graue Anzüge, Jockei schnaufte ungerührt in seinem Fleisch, Pjotr, Eclipse und Franco genossen die Aufmerksamkeit. Pjotr verkündete, Russland werde als erste Nation auf dem Mars landen, Eclipse schwärmte von dem Mondhotel, das er bauen werde, und Franco forderte einen europäischen Rat für Weltraumethik und versprach, ein Buch zu schreiben. Mohamed schwieg.
    Mich hatte nur der Kaffee mit viel Zucker am Leben erhalten, während die grauen Anzüge sich in Ziele, Inha l te und Erfolge der Mondmission flüchteten. Erst nach einer halben Stunde technischer Selbstbejubelung biss Jockei als Vorsitzender des Mond-Clubs in den sauren Apfel, benannte die aktuellen Ereignisse, die »uns alle mit B e stürzung und Trauer erfüllen«, über die man aber mit Rücksicht auf die laufenden Ermittlungen keinerlei Au s künfte geben könne, und stellte sich den Fragen.
    Ja, es habe auch einen Anschlag mit Kugelfischgift gegeben. Die Umstände würden rückhaltlos aufgeklärt werden. Ja, der indische Mondtourist Rakesh Chaturvedi habe einen religiös motivierten Freitod begangen. Nein, dadurch werde die internationale Raumfahrt nicht infrage gestellt. Astronauten aus fremden Kulturkreisen stellten keine größere oder geringere Gefahr dar als westliche Astronauten. Er, der Mond-Club und die gesamte europ ä ische Raumfahrt stünden hinter dem Code of Conduct für die Artemis, der ausdrücklich keinen Unterschied zw i schen Karriereastronauten und Touristen mache. Auße r dem gelte Artikel 9, Absatz 3 des IGA, des Intergouvernme n tal Agreement, wonach jeder Partnerstaat grundsät z lich mit seinen Nutzungsrechten verfahren konnte, wie er es für richtig halte. Und Artikel 1 des Weltrau m vertrags lege eindeutig fest, dass jedes Land das Recht habe, ins All zu reisen. »Aber natürlich«, schnaufte Jockei, »ha n delt es sich bei der Eroberung des Weltalls um eine Art work in progress .«
    »Wir müssen sehr klug sein!«, hatte Abdul mir eing e schärft. Als ob ich jemals gewusst hätte, was klug war. »Das Leben der Astronauten auf der Artemis hängt von dem ab, was wir sagen …«
    Oder nicht sagen!
    Ich war durchs Klofenster geflüchtet und hatte mir am Flughafen ein Taxi in die Stadt genommen.
    Die Sonne ging im roten Schleierwurf hinter der Schwäbischen Alb auf. Wolken grauten im Westen über dem Schwarzwald. Die Obstbäume an den Südhängen des Schönbuchs blühten. Irgendwann nadelte Stuttgarts Fernsehturm in der Flucht der Autobahn. Gegen halb sieben kurvte Bront ë mit dem Instinkt eines alten Pferds auf dem Weg zum Stall über die Ab- und Auffahrten an der Universität vorbei und über den Schattenring in die Stadt hinab. Der Berufsverkehr war im Begriff, sich au f zustauen. Brontë hatte freie Auswahl an Parkplätzen in den Buchten vor den Läden am Stöckach.
    »I hen Ihne die Zeitunge nuffglegt«, empfing mich Oma Scheible im Treppenhaus. »Und ’ s Hundle, wo hen Sie des glasse? Wo kommet Sie überhaupt her so früh?«
    »Vom Mond«, sagte ich.
    »Schrecklich, was ma da hört. Sie hen ’ s in den Nac h richte bracht. Eine Chinesin hat unsern Astronaute u m bracht, den vom Bodensee. Dass ma überhaupt Fraue da nufflässt! Des gibt doch nur Mord und Totschlag.«
    »Sie haben ja so recht«, sagte ich.
    Ob ich je die Treppen in den dritten Stock hochko m men würde? Ich schnaufte auf dem ersten Absatz, keuc h te auf dem zweiten und kotzte auf dem dritten. In der Wohnung stand die Luft. Es gelang mir nicht, das K ü chenfenster aufzureißen, ohne den Blick hinüber auf den Bunker der Staatsanwaltschaft zu werfen, wo im dritten Stock Obe r staatsanwalt Dr. Richard Weber nicht mehr hinterm Fen s ter an seinem Schreibtisch saß. Und nie mehr sitzen würde. Dabei war erst unlängst die Staat s anwaltschaft mit schicken neuen Flachbildschirmen ausgestattet wo r den.
    Wieso

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