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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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nicht mit einem Toten. Das erschien mir riskant.
    So wie mir jetzt schon Pumpe und Gebläse gingen. Ich tippte die 7, Richards Kurzwahlnummer.
    Es klingelte und klingelte und klingelte.
    Richards Luxusgefährt besaß eine Freisprechanlage, er hätte das Gespräch auch bei Tempo 200 annehmen kön nen. Was hieß das nun, dass er es nicht tat? Dass er sein Handy nicht hörte, weil er nicht im Auto saß und ich ihn folglich nicht eben aus der Rastanlage gegenüber ha t te herausfahren sehen? Oder sprach es dafür, dass er mich nicht sprechen wollte? »Was meinst du, Cipión ?«
    Der Dackel stellte die Ohren und schnüffelte den tief e ren Sinn meiner Frage aus der Luft. Die Haarbüschel über seinen Haselnussaugen zuckten erst links, dann rechts.
    »Gut, du hast mich überzeugt. Es ist eh sinnlos, ins Blaue hinein nach Wien zu fahren.«
    Jede Rastanlage besaß einen Fluchtweg, die Wend e stelle für Abschleppwagen und Abkürzung für Ortsku n dige. Ein bisschen blöd war es zwar, weil wir schon vor den Klos standen und zurück mussten, gegen die Ei n fahrtrichtung durch die Zapfsäulen, aber so ein weißer Porsche ist ja auch schnell verduftet, und solche illegalen Abfahrten verstecken sich gerne hinter Gebüsch, unei n sehbar von der Autobahn und der Rastanlage. Wir unte r querten die Autobahn und rollten von hinten durch die Brust ins Auge der Rastanlage auf der Gegenseite. Hier konnte Brontë wieder so tun, als seien wir aus Österreich gekommen, hätten ein bisschen geparkt und führen auf die Autobahn zurück. Und dann gib Gummi. Die alte Dame weigerte sich zwar stets, mir zu verraten, nach welcher der drei Brontë -Schwestern sie hieß – Charlotte, Emily oder Anne –, aber gegen einen ordentlichen Dau e r sprint hatte sie nie etwas einzuwenden. Vielleicht pfupferte sie auch ein bisschen der Wettkampf mit einem arroganten Luxusgeschoss der Neuzeit. Doch es genügte nicht zu heizen, was Brontë s vierzig Jahre alten Töpfe hergaben. Auch Richard heizte stets am Limit des allg e meinen Verkehrsflusses.
    Wenn wir ihn einholen wollten, brauchten wir, wo das Überhol-Image eines Porsche nicht reichte, das ganze Nötigungsinstrumentarium von Auffahren bis Lichthupe, und wenn die Bummler bockig blieben, dann mussten wir eben auf der rechten Spur überholen.
    Auch auf der Erde ähnelten manche Projekte einem mathematischen Knobelspiel. Der Wagen A rast mit e i nem Vorsprung von sieben Minuten über die Autobahn. Seine Durchschnittsgeschwindigkeit beträgt 160 Kilom e ter pro Stunde. Der verfolgende Wagen B kann seine Durc h schnittsgeschwindigkeit durch Ausnützen jeder Lücke im Verkehr auf 167 Stundenkilometer steigern. Wann holt Wagen B dann Wagen A ein?
    Ich hatte viel Zeit, an der Rechenaufgabe zu scheitern. Der Bayrische Wald grünte, die Sonne stieg. Bei Degge n dorf verließ uns der Tann, wir rasten über zwei Dona u brü cken und tauchten erneut unter im Wald. Heilan d sack! Geduld, Lisa! Landshut, Freising, Dachau. Ich b e gann zu zweifeln. Zweihundert Kilometer hatten wir weggerast seit Passau. München lag auch bald wieder hinter uns. Sinnlose Aktionen waren nicht immer sin n voll! Auch wenn ich Lisa Nerz hieß, musste sich die Welt nicht me i ner These über sie unterwerfen. Gib auf, Lisa! Außerdem brauchte Bront ë dringend ein Getränk, wenn sie mir nicht auf dem Standstreifen verröcheln sol l te.
    Die Rastanlage Augsburg war Rettung in letzter Min u te. Brontë soff. Cipión drängelte ins Freie. Ich parkte vor dem Rasthaus und ging ein Stück den Fluchtweg entlang. Auf den Feldern blühte endlos gelb der Raps. Darüber schwebte zartblau der Himmel. Es roch nach Benzin, Wind und Wolken. Zwei Krähen verfolgten einen Mäu s e bussard, der sich immer wieder fallen ließ, um ihren Schnabelhieben zu entgehen, und schließlich mit kräft i gem Flügelschlag die Flucht nach oben antrat. Hassen nannte man das Verhalten der Krähen einem Beutegreifer gegenüber, mobben hieß es unter Menschen, und da traf es selten die Raubtiere.
    Auf freiem Feld im Frühsommerwind wagten sich meine Gedanken ins Unerträgliche, zurück in die Enge der Artemis unter die Cupola mit dem Nachtsternenhi m mel und dem Wüstentag. Ich sah sie wieder vor mir in ihrer Gier auf irdische Leckereien, Giovanni mit seinem Hundeblick, Gail in ihrer monströsen Erotik, die tittige Tamara, den halbmondbackigen Morten, Zippora mit ihrem Ameisenforscherblick auf unsere Irrungen und Wirrungen, Fred das Hädele und Bob den Schrank, Kommandant

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