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Lehmann, Christine

Lehmann, Christine

Titel: Lehmann, Christine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nachtkrater
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großes Interesse am Aitken-Becken entwickeln?«
    Allmählich dämmerte es mir.
    Cecilie lachte. »So wie die Russen unterm Nordpol Steine sammeln, um zu beweisen, dass der Nordpol ge o logisch russisch ist, könnte man beweisen, wem der Mond gehört, geologisch gesehen.«
    »Deshalb kauft Ihr Mann schon mal Stück für Stück den Mond auf. Dann gehört er Europa, bevor die Amer i kaner, Australier, Russen und Chinesen mithilfe der Ge o logie Ansprüche auf ihr eigen Fleisch und Stein erheben. Und dann treten wir in einen Weltkrieg ein.«
    Cecilie zog die Brauen über die Brillenränder hoch.
    »Zumindest hat …« Ich unterbrach mich, ehe mir Schüssi aus dem Mund schusselte. »… hat Ihre Nichte Julie das ausgeplaudert, kürzlich bei einem Spargelessen bei den Mauchers.«
    »So?« Cecilies Brauen schlugen Wellen auf ihrer Stirn. »Übrigens billige ich Gunters Affäre mit Julie nicht.«
    »Weiß Viola davon?«
    »Sie weiß, dass Gunter in Friedrichshafen seine Aff ä ren hat. Sie hätte halt auch nicht in Stuttgart bleiben dü r fen, als Gunter die SSF übernahm.«
    »Kannten Sie Torsten Veith?«, lenkte ich ab.
    Cecilies Miene hellte sich nicht auf. »Natürlich. Sie waren alle hier, Messerschmid, Ewald, Merbold, Reiter, Schlegel und wie sie alle heißen. Sie haben auf unseren Sofas gesessen und Cognac getrunken. Die Veteranen haben den Junioren Tipps gegeben, und dann haben sie alle zusammen Mond und Mars besiedelt. Mein Mann liebt diese Clubabende mit den Astronauten. Veith schien mir ein netter junger Mann zu sein, ernsthaft, bescheiden und zielstrebig.«
    »Was hat er da oben gemacht?«
    »Da bin ich überfragt, Frau Nerz. Ich bin Theologin.«
    »Hat er extraterrestrisches Leben entdeckt?«
    »Über solche Sachen spricht mein Mann nicht mit mir.« Cecilie klappte mit einem Knall das letzte Buch zu.

30
     
    »Wir begriffen, dass Cavor nicht nur noch am Leben war, sondern in Freiheit lebte, inmitten dieser unglaubl i chen Gemeinschaft der ameisenähnlichen Wesen, dieser Ameisen-Menschen, in der blauen Dunkelheit der Mon d höhlen.« Die ersten Menschen auf dem Mond, Herbert George Wells, 1901
     
    War es Zufall gewesen, fragte ich mich, dass David am Abend meiner Ankunft auf der Artemis Drachen und Götter einer Pekingoper durchs Habitat hatte marschieren lassen, während ich in der Nasszelle um meine Unster b lichkeit keuchte? Waren es gar Klänge aus der Oper von Chang ’ es Flug zum Mond gewesen? Dann hätte David oder irgendwer anders bereits gewusst gehabt, dass ich nicht Michel Ardan war, sondern aus dem Einflussb e reich von Jockei kam. War es das gewesen, was mir ei n fallen musste, um den gordischen oder sonstigen Knoten in meinem Hirn zu durchschlagen, oder nur falsche M y thologie und die übliche Nerz ’ sche Hirnverschlingung?
    »Die Ameisen sind mit der zweiten Versorgungsfähre aus Japan gekommen«, erklärte Van Sung lächelnd. Er war aus der Biosphäre hereingekommen und schlang sich eine grüne Gärtnerschürze vom Leib. »Einige tausend Tiere und eine Königin, you know.«
    Tupac ratzte mit seinen Oberzähnen über seinen Kinnbart. Haar für Haar knackten die schwarzen Sto p peln unter seinen Zähnen hervor, während Van Sung mit wissenschaftlich einschläfernder Freundlichkeit erzählte, dass ein Japaner zur ersten Artemis-Besatzung gehört hatte und ganz wild auf Versuche mit Ameisen gewesen war, um zu klären, ob der Ameisenalgorithmus auf dem Mond ein anderer war als auf der Erde. »Damit wir von ihnen die Wegeplanung unserer Exkursionen lernen kö n nen, you know.«
    Das Problem hatte darin bestanden, die Ameisen der möglichst natürlichen Unwirtlichkeit des Mondes ausz u setzen, ohne dass sie augenblicklich zugrunde gingen.
    »Und da ist er auf eine … eine sehr gefährliche Idee gekommen, you know. Er hat die Ameisen mit Cyan o bakterien geimpft.«
    »Zyankalibakterien?«
    »Cyanobakterien«, sagte Tupac ungehalten. »Auch bekannt als Blaualgen.«
    »Das sind Urzeitbakterien«, erklärte Van Sung gedu l dig lächelnd. »Sie kommen überall vor, in der Wüste, im Wasser, im ewigen Eis. Sie produzieren Sauerstoff, you know. Sie haben die Fotosynthese erfunden. Unsere Grünpflanzen haben sie nur plagiiert, you know. Der Prochlorococcus bildet sogar den wichtigsten sauerstof f produzierenden Organismus auf der Erde. Er lebt im Meer in hundertfünfzig Metern Tiefe. Obgleich kaum Licht dorthin gelangt, produzieren die Bakterien Unme n gen Sauerstoff und binden dabei mehr Kohlendioxid,

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