Lehmann, Christine
vorgeschlagen?«
»Warum hätten wir sollen?«, fragte Van Sung l ä chelnd.
»Weil er tief in seinem Herzen hoffte, eine extrate r restrische Lebensform zu finden, und sei es nur die künstliche der Cyber-Ameisen. Er hätte alles darang e setzt nachzuweisen, dass es sie gibt.«
Tupac lachte heftig. »Jeder Astronaut hofft tief in se i nem Herzen, dass er auf außerirdische Lebensformen stoßen könnte, und seien es auch nur mutierte irdische.«
»Ach ja?«
Van Sung lächelte väterlich. »Es steckt in uns drin. An nichts glaubt der Mensch so gern wie an seine genetische Abkunft vom Geschlecht der Sonnengötter. Da gibt es eine Europaabgeordnete, eine Deutsche, you know. Sie ist die Vorsitzende irgendeines europäischen Ethikrats, eine gewisse Dr. Cecilie Rees …«
Da schau her! Das also war Cecilies Mission.
»Sie argumentiert, jeglicher Export sich unkontrollie r bar vermehrenden irdischen Erbguts auf andere Planeten und deren Monde verböte sich. Und zwar weil«, Van Sung musste ehrlich lachen, »weil der Kosmos das Z u hause fremder Kulturen sein könnte. Als Beweis führte sie Relikte eines außerirdischen Volks an, die ein gewi s ser Karyl Robin-Evans in China gefunden habe, die Dr o pa, die in Tibet …«
»Kenne ich!«
»Aber das Ganze ist eine Fälschung!«
»Ach?«
»Ja, es ist eine Erfindung, you know. Diesen Karyl Robin-Evans hat es nie gegeben, auch nicht den chines i schen Wissenschaftler Chi Pu Tei. Es war eine literar i sche Satire, you know. Ein Deutscher hat sie geschri e ben, weil in den Siebzigern im Westen lauter Bestseller erschienen sind, in denen behauptet wurde, Gott sei ein Alien gewesen.«
Ich musste lachen.
Van Sungs Lächeln vertiefte sich. »Und die Steinringe mit den Hieroglyphen und all den Nachrichten über Ufos sind aus dem zwanzigsten Jahrhundert, you know.«
»Und was ist dann passiert? Mit den Ameisen, meine ich.«
»Nichts. Die Entscheidung steht noch aus. Deshalb hat Torsten sie alleine gesucht, mithilfe von einem von Gi o vannis Robotern. Er hat sich nie fügen können. Musste immer seinen Kopf durchsetzen.«
»Und er hat sie gefunden«, sagte Tupac. »Ich habe e i ne Ameise im Regolith gesehen, als wir ihn reinholten, Gail und ich. Eine blaue Ameise.«
Der Waran gluckste. »Ihr seid alle hysterisch! Es gibt keine blauen Ameisen außerhalb des Habitats. Tupac, believe me!«
»Aber es gibt welche im Habitat«, sagte ich. »Ich habe gestern eine gesehen, in eurem Quartier, im japanischen Modul, kurz nach meiner Landung. Und heute auch wi e der zwei im food stock .«
»Alle sehen derzeit überall Ameisen!«
»Und deine entzündeten Stiche an deinem Arm, wo kommen die her?«
»Ich bin der Gärtner. Im Teich sind viel zu viele Bla u algen.«
»Torsten Veith hatte auch solche Quaddeln! Und er hat seine Arme nicht in den Teich mit Blaualgen g e steckt, oder?«
»Torsten hatte eine Hautentzündung!«, sagte Van Sung. »Vermutlich eine Überempfindlichkeit gegen die Pilzsporen, die hier überall im Kondenswasser hinter den Schränken gedeihen. Er hat irre Mengen von Fettcreme verbraucht. Frag den Doktor!«
»Und der allergische Schock, von dem du erzählt hast?«
Van Sung lächelte. »Solche Symptome können ve r schiedene Ursachen haben. Zippora nennt es das Inse l syndrom. Tupac nennt es el susto. Es ist eine Hysterie, you know. Der Ausdruck unserer Grundangst, dass wir hier oben auf dem Mond nichts zu suchen haben kön n ten. Sie sucht sich Gefahren, die nicht existieren, you know. Sie sucht sich Feinde, gegen die man sich zusa m menschließen muss. Und wer mit Vernunft dagegenredet , wird als Verräter beschimpft, manchmal sogar als Feind totgeschlagen.«
»War Torsten ein Vernünftiger oder ein Wahnsinn i ger?«
Van Sung wog den Waranskopf. »Zumindest wollte er dem auf den Grund gehen, was da draußen ist. Was auch immer es ist.«
Eines stand fest, in mir herrschte nicht genug Ve r nunft, um dem Unheimlichen standzuhalten. Es fuhr mir ins Genick und sickerte rasch in meine Glieder ein. »Aber wenn da was ist«, stotterte ich, »dann … dann hat es Torsten doch nicht … ich meine …«
»Umgebracht?« Die Brille des Warans blitzte. »Ich denke, die eigentliche Frage lautet: Wem nützt es, wenn wir glauben, dass die Ameisen uns nachts beißen, you know, unseren Zeus lahmlegen, das Habitat bedrohen und sogar Menschen töten.«
»Oder man stellt die Frage«, widersprach Tupac, »wem es nützt, wenn wir glauben, es gäbe diese Gefahr nicht.«
»Patt«,
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