Lehmann, Christine
Sung. »Darf man, falls Bakterien und Ameisen tatsäc h lich eine solche Anpassung an die lunare Umwelt vol l zogen haben, noch einmal Ameisen aus dem Habitat h i naustragen? You know?«
»Man hätte sich in jedem Fall Klarheit über den Verbleib der Ameisen des Japaners verschaffen müssen«, sagte Tupac. »Mit allen Mitteln.«
Sergei Kascheschkin, Krzysztof Skarga und Giovanni Boccetto hatten das auch so gesehen. »Vor allem Gi o vanni«, sagte Van Sung. »Er hat vorgeschlagen, zunächst mit seinen mobilen Robotern zu suchen. Sie können kleinste Mengen Sauerstoff detektieren.«
»Zeitverschwendung« hatten es die beiden Roverfa h rer Bob und Fred genannt. Sie hätten anderes zu tun. Rhianna hatte sich dem angeschlossen. Die Solarfelder verlangten ständige Wartung. Von den Ingenieuren habe keiner Zeit.
»Wir, Tupac und ich, wären bereit gewesen«, erklärte Van Sung, »noch mal präparierte Ameisen auszusetzen und zu beobachten, aber alle waren dagegen.«
Wim Wathelet hatte die Befürchtung geäußert, ein weiterer Versuch könne auf völlig unvorhersehbare We i se außer Kontrolle geraten. Die Eigenschaft des Lebens, sich zu erhalten und Leben hervorzubringen, sei mächt i ger als der Mensch und seine Kontrollfähigkeit. Vers u che mit Mikroorganismen könne man bestenfalls auf der ISS wagen, denn wenn etwas schiefgehe, könne man sie au f geben, aus dem Orbit schießen und in der Atmosphäre verglühen lassen.
Dem hatte sich Zippora Eschkol angeschlossen und darauf hingewiesen, dass biologische Experimente, die auf Veränderung irdischer Lebensprozesse zielten, den Menschen in eine gottähnliche Position versetzten, der er mit seiner primitiven emotionalen Struktur nicht gewac h sen sei, schon gar nicht ein einzelner Wissenschaftler im Überschwang des Forscherdrangs.
Morten Jörgensson hatte erklärt, dass in seiner Brust zwei Herzen schlügen, das eine voller Angst vor den Geistern, die man rufe, das andere voll Wissbegier und grenzenloser Neugier. Außerdem hatte er darauf hing e wiesen, dass es nur eine Frage der Zeit sei, dass Exper i mente in Richtung einer biologischen Sauerstoffprodu k tion gemacht würden. Schließlich sei das nützlich für lange Flüge zu weit entfernten Planeten. Die Geschichte zeige, dass der Mensch alles tue, was möglich sei.
»Typisch Morten. Legt sich nie fest!«, bemerkte Van Sung.
In die Diskussion hier oben platzte die Veröffentl i chung des auf die Erde zurückgekehrten Japaners. Er sagte voraus, dass Cyanobakterien auf dem Mars eine saue r stoffhaltige Atmosphäre schaffen könnten, so wie sie das vor 3,5 Milliarden Jahren auf der Erde begonnen und vor 350 Millionen Jahren abgeschlossen hatten.
»Nur sollte das auf dem Mars nicht drei Milliarden Jahre dauern«, bemerkte ich.
Van Sung lachte freundlich. »Bis es so weit ist, könnte man in Raumanzüge organische Schichten mit Cyan o bakterien einbauen, die beispielsweise auch bei Mon d ex peditionen den nötigen Sauerstoff produzieren. Nur in den Schatten dürfte man damit nicht kommen.«
»Interessanter Gedanke!«, musste ich zugeben.
»Das hat Yanqiu, unsere Zeugmeisterin, auch gefu n den«, lächelte Van Sung.
Tupac ratzte die Zähne über seinen Unterlippenbart.
»Aber wie das so ist, da unten«, fuhr der Koreaner freundlich fort, »hat sich die öffentliche Diskussion nicht mit Raumanzügen befasst, sondern ist sofort ideologisch geworden.«
Der Wissenschaftsjournalist Michel Ardan hatte einen flammenden Artikel geschrieben über die Arroganz des Menschen, der im Begriff sei, ohne Not ein seit Jahrmi l liarden bestehendes System of no life zu zerstören, bevor er es auch nur in Spuren kennengelernt habe. Im Rüc k griff auf die Chaostheorien der achtziger Jahre orakelte er: »Von unzähligen Schmetterlingsflügelschlägen verfla t tern 99,99 Prozent in den Wirbeln des Kleinklimas, doch aus einem wird ein Hurrikan. Und wir wissen nicht, wann das sein wird, morgen oder in einer Million von Jahren.« Sein Artikel endete mit der Erinnerung an die sogenannte Erste Direktive aus Star Trek, wonach die Sternenflotte niemals in Zivilisationen eingreifen dürfe, die noch nicht über den Warp-Antrieb verfügten.
»Demzufolge dürften wir auch in unsere eigene nicht eingreifen«, bemerkte ich.
»Haben wir eine Sternenflotte?«, knurrte der Indio.
Mir kam plötzlich ein Verdacht. »Habt ihr Michel Ar dan angefordert?«
Das Konglomerat aus Waran und Pfeilgiftfrosch schwieg.
»Habt ihr ihn
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