Lehrerzimmer
Informatik
SGI,
Schlüssel
C1
Generalschlüssel nur für Direktor, Stellvertreter und Putzfrau, Schlüssel D1 für Sporthallen 1 bis 2, Schlüssel EI für Musiksaal 4G. Unterrichten Sie eines der genannten Fächer?
Nein? Dann Schlüssel c6 für Sie, bei Verlust 10.000 Euro, da Auswechslung aller Schlösser nötig, mit Ausnahme Physik, Erdkunde, Naturwissenschaften, Informatik, Musik,
Sporthallen, daher Schlüsselversicherung, abzuschließen im Sekretariat, 15 Euro pro Schuljahr, der Nächste bitte. Ich ging ins Sekretariat und schloss eine Schlüsselversicherung ab, kehrte zurück ins Lehrerzimmer, nahm mir das Greenline -
Buch, das noch auf dem Tisch vor dem Sofa lag und wollte beginnen, mich an die Vorbereitung meiner ersten Schulstunde zu machen, doch neben mir saß ein älterer Lehrer, die Beine übereinander geschlagen, friedlich, ruhig, entspannt, er hatte eine geöffnete Zeitung auf den Knien, schien aber nicht zu lesen. Er warf mir einen Blick zu, nickte kurz und sagte, mein Gott. Ich fragte, wie bitte? Er sagte, Sie sind noch so jung. Ich hustete. Er sagte, Brinkmann, Mathe, Physik. Ich sagte, Kranich, Englisch, Deutsch. Er sagte, Sie haben das alles noch vor sich. Ich fragte, was? Er sagte, alles, die ganze Laufbahn, ich hab nur noch ein Jahr, mein letztes Jahr, und als er dies sagte, sah er ein wenig verklärt durch mich hindurch. Mein letztes Schuljahr, fuhr er fort, das allerletzte, dann hab ich’s geschafft, Pensionierung, dann hab ich’s hinter mir, können Sie sich das vorstellen, nur noch ein Jahr? Ich: Und dann? Er sah mich fragend an: Wie, und dann? Ich: Ja, und dann? Er: Ach so, und dann. Es klingelte, er faltete seine Zeitung zusammen, nickte und stand auf.
6
Ich brauchte die gesamte große Pause, um das Zimmer zu finden, in dem die Klasse 10d samt Horst Höllinger auf mich wartete, glücklicherweise hatte ich dies geahnt und mich rechtzeitig auf die Suche gemacht, sodass ich ohne Verspätung vor der geschlossenen Tür des Zimmers 203 stand, kurz das Buch öffnete, rasch durch die erste Seite hechelte, versuchte, die verschiedenen Übungstypen auseinander zu dividieren und herauszufinden, welche Übungen sich für welche Phase des Unterrichts eignen würden, dann klappte ich das Buch zu, schloss kurz die Augen, hustete mir den Druck von den
Bronchien, griff zur Klinke und trat ein.
Fünfundvierzig Minuten später ging ich den Gang zurück Richtung Lehrerzimmer, ich fühlte, wie mir Schweiß unter den Achseln klebte, mein Atem ging flach, aber die Erleichterung überwog, die erste Stunde hinter mich gebracht zu haben. Jetzt stand die Klasse 9a auf dem Plan, ich war sorgfältig
vorbereitet, und gelassen wollte ich auf das zweite Läuten warten, als jemand auf mich zutrat. Im Überschwang sagte ich, Sie kenn ich doch, Herr Linnemann? Richtig, sagte
Linnemann, wie war noch mal Ihr Name? Ich: Kranich,
Englisch, Deutsch. Richtig, sagte Linnemann, Sie sind das.
Sagen Sie, haben Sie nicht jetzt die 9a? Ja, sagte ich.
Folgendes, sagte Linnemann, Sie sind doch in Zimmer 303?
Ich: Ja. Er: Sehen Sie, das ist einer der beiden Räume, in denen ein Videogerät steht, und ich wollte heute mit meinen Elfern Video gucken, erster Schultag, die haben sowieso zu nichts Lust, was meinen Sie, können wir tauschen, ich meine die Räume? Kein Problem, antwortete ich, in welchem Raum sind Sie denn regulär? Sockelgeschoss SG4, sagte Linnemann. Gut, sagte ich, dann gehe ich mit meiner Klasse einfach dahin. Ich danke Ihnen, sagte Linnemann und ließ mich stehen. Ich wollte gerade zwei Lehrerinnen zuhören, die redend neben mir
standen, als der Göppinger Oberreferendar Kracht auf mich zutrat und sagte, tolles Kollegium, nicht? Ja, sagte ich.
Fantastischer Direktor, sagte er. Kann man sagen, sagte ich.
Tolle Atmosphäre, sagte er. Jawohl, sagte ich. Ob ich wüsste, wo die Projektoren stünden? fragte er mich. Nein, sagte ich, keine Ahnung. Ich schon, sagte er.
Im Medienkeller, Medienwart ist Heiner Stramm, dort drüben sitzt er. Ach ja? sagte ich. Auf bald, sagte er. Auf bald, sagte ich. Dann klingelte es zum zweiten Mal. Ich stieg zunächst hoch ins dritte Stockwerk, betrat den Klassenraum, sagte meinen Schülern, wir müssten den Raum wechseln, wegen des Videorekorders. Gucken wir ‘nen Film? schrien die Schüler.
Nein, sagte ich, wir nicht, die andere Klasse. Ich fragte einen Schüler, ob er wisse, wo das SG4 sei, er nickte, und ich sagte, er solle uns führen. Auf der Treppe war es inzwischen
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