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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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Bald würden sich womöglich Junkies, Säufer und Hehler im Haus herumtreiben.
    Ich füllte für Sulo eine Schüssel mit Wasser, eine mit Sahne und eine dritte mit Krabben, die beim Auftauen in der Mikrowelle Funken sprühten. Sulo strich mir um die Beine, fast wäre ich gestolpert. Ich hätte ihm gern gesagt, wie sehr er mir gefehlt hatte, aber ich genierte mich vor dem Mann.
    «Sie müssen sich furchtbar Sorgen gemacht haben. Zu dumm, dass ich verreist war. Ich hatte früher auch eine Katze, Kalervo hieß sie. Die ist auf dem Hof von der Müllabfuhr überfahren worden. Ich war damals beim Militär und hab den harten Mann gespielt, aber geheult hab ich trotzdem. Sulo ist eine richtige Persönlichkeit, ein prächtiger Kerl. Ich habe Ihren Zettel bei den Mülltonnen gesehen und bin gleich gekommen, als ich in Ihrer Wohnung Licht gesehen habe.»
    «Was schulde ich Ihnen für den Lachs und das Putzen?», unterbrach ich ihn. Ich wollte ihn so schnell wie möglich loswerden.
    «Gar nichts. Ihre Katze war eine angenehme Überraschung.
    Übrigens habe ich mich noch gar nicht vorgestellt. Kalle Jokinen.»
    Er streckte mir die Hand entgegen, mir blieb nichts anderes übrig, als sie zu ergreifen. Sein Händedruck war beinahe heiß.
    «Säde Vasara», antwortete ich. Er reagierte mit einem zurück-haltenden «Sehr-erfreut»-Lächeln. Vielleicht war er ein Heirats-schwindler, der im Gefängnis gelandet war, weil er seine Tricks bei der falschen Frau probiert hatte. Natürlich nahm er jetzt kein Geld, die Zeit würde später kommen. Deshalb war es besser, gleich zu zahlen.
    «Ich will kein Geld!», versicherte er ungeduldig, als ich noch einmal fragte. «Wenn Sie mir eine Tasse Tee oder Kaffee anbie-ten, sind wir quitt. Und du, Miezekatze, darfst mich gerne wieder besuchen kommen, aber vorher musst du dein Frauchen um Erlaubnis fragen», sagte er und hob Sulo, der sich zur Abwechslung an seinen Beinen rieb, auf den Schoß.
    Ich wusste nicht, was ich tun sollte, ich stand mitten im Zimmer und starrte den Mann an. Vielleicht machte er gerade eine Bestandsaufnahme, überlegte, was in meiner Wohnung zu holen war. Fernseher, Video und CD-Spieler waren billig und alt, für die Heimorgel würde er vielleicht ein paar Tausender kriegen. Mein Silberbesteck war so gut wie wertlos, außer dem Goldkettchen mit Kreuzanhänger, das ich zur Konfirmation bekommen hatte, und dem Diamantring, den mir meine Oma zum Abitur geschenkt hatte, besaß ich keinen wertvollen Schmuck. Für mein Handy bekam man unter der Hand höchstens zweihundert.
    «War es das, was Sie im Lokal erschreckt hat?», fragte der Mann und zog den linken Ärmel seines grünen Baumwoll-hemds hoch, bis der Drache sichtbar wurde. «Ich hatte mir eingebildet, dass niemand darauf achten würde, weil Tätowierungen jetzt Mode geworden sind, aber dieses Ding schreit wohl geradezu ‹Made im Knast›. Arbeiten Sie bei der Gefängnisver-waltung oder bei der Polizei, haben Sie es deshalb gleich erkannt?»
    «Ich war jahrelang beim Sozialamt angestellt.»
    Ich bewegte mich in Richtung Küche, vielleicht sollte ich doch Tee …
    «Tja, so ist das wohl, ich hab sieben Jahre bekommen und vier abgesessen, aber in Wahrheit bin ich zu lebenslänglich verurteilt.»
    Seine Stimme klang müde, Selbstmitleid konnte ich darin nicht erkennen. Er lächelte wieder, jedoch zurückhaltender als bisher. Als er aufstand, wäre er beinahe mit dem Kopf an die Deckenlampe gestoßen.

    «Ich gehe wohl besser, Sie wollen sicher mit Sulo allein sein.
    Alles Gute, Säde!»
    Bevor ich etwas sagen konnte, war er weg.
    Ich sank auf das Sofa, neben die Stelle, wo der Mann, der sich als Kalle vorgestellt hatte, gerade noch gesessen hatte.
    Sulo sprang auf meinen Schoß, ich streichelte ihm den Rücken und kam mir vor wie eine Idiotin. Nicht einmal bedankt hatte ich mich. Knastbruder oder nicht, es gehörte sich einfach, danke zu sagen. Er hatte allen Grund, beleidigt zu sein. Oder spielte er ein geschicktes Spiel, um mich nachgiebig zu stimmen?
    Das Telefon riss mich aus meinen Überlegungen. Sulo guckte beleidigt, als ich ihn absetzte.
    «Säde Vasara.»
    Eine Weile waren nur Atemgeräusche zu hören. Dann sagte eine gewollt heisere Männerstimme: «Schau an, die alte Jungfer hat ihre Katze verloren. Das Biest ist tot, und du lebst auch nicht mehr lange. Fahrt zur Hölle, alle beide!»
    Ich zitterte so heftig, dass mir der Hörer aus der Hand fiel.
    Mir war klar, ich hätte, ohne die Verbindung zu unterbrechen, mit

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