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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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wurden, würde sowieso niemand merken, dass ich fehlte.
    Der Himmel war sternenlos und grimmig, der Wind fegte mir Birkenblätter ins Gesicht. Ich wickelte mich fester in den Mantel und wünschte, ich hätte Wollsocken angezogen. Mit der Ta-schenlampe leuchtete ich ins Gebüsch am Straßenrand, darauf gefasst, eine kleine, grau getigerte Leiche zu entdecken, aber ich fand nur einen Haufen halb verfaulter Äpfel und einen einsamen Handschuh.
    Sulo war spurlos verschwunden.
    Wieder schlief ich unruhig und schwitzte vor Albträumen. An der Tür zog es, um Viertel nach sechs erwachte ich mit Hals-schmerzen. Ich kochte mir heiße Milch, in die ich zwei Knob-lauchzehen presste. Pauli war allergisch gegen Knoblauch, ich könnte ihn anhauchen, wenn er mir zu nahe kam. Eine Weile spielte ich mit dem Gedanken, mich krankzumelden, ging dann aber doch zur Arbeit. Es konnte sein, dass ich den Krankenurlaub später noch brauchte.
    Tiina Leiwos linkes Auge begann sich allmählich zu öffnen.
    Ihre Stimmung schwankte extrem: Im einen Moment weinte sie, im nächsten erledigte sie am Handy mit selbstbewusstem Ton berufliche Dinge. Gegen Mittag fuhr ich mit ihr zum Einkaufen. Sie brauchte frische Unterwäsche und Kosmetika, wollte aber nicht in ihre Wohnung gehen und auch keine von uns hinschicken. Pasi sollte sich ordentlich Sorgen machen.
    «Glaubst du, dein Mann geht zur Polizei?», fragte ich sie, als wir an der Bushaltestelle standen. Wenn Ehefrauen als vermisst gemeldet wurden, rief die Polizei auch bei uns an, gab aber die Information natürlich nicht an die Angehörigen unserer Klientinnen weiter.
    «Schwer zu sagen. Ich meine … was tun Männer denn in so einer Situation? Sie werden doch wohl nicht zur Polizei gehen und sagen, ich habe meine Frau geschlagen und jetzt ist sie verschwunden.»
    «Meistens telefonieren sie erst alle Bekannten und Verwandten durch. Vielleicht ruft Pasi auch bei deiner Arbeitsstelle an …»
    «Bloß das nicht!» Tiina war entsetzt. Der Beruf war das Wichtigste in ihrem Leben. Sie hatte Betriebswirtschaft studiert und war Leiterin der Auslandsabteilung bei der Merita-Nordbank.
    Am Tag zuvor hatte sie gemeint, ein Grund für Pasis gewalttätiges Verhalten wäre vielleicht sein Minderwertigkeitsgefühl gegenüber seiner besser ausgebildeten und besser verdienenden Frau.
    «Pasi weiß natürlich nicht, was du der Bank erzählt hast, aber er wird sich denken können, dass du nicht die Wahrheit gesagt hast. Das solltest du übrigens tun, finde ich.»
    «Nein! Du hast ja keine Ahnung, worauf es in dem Job ankommt! Wenn man Karriere machen will, muss im Privatleben alles in Ordnung sein. Geschiedene Frauen gelten als unzuverlässig.»

    «Tatsächlich?», seufzte ich, als der Bus endlich kam. Tiina hatte mir schon erzählt, dass sie und ihr Mann beschlossen hatten, sich vorläufig keine Kinder anzuschaffen. Sie hatten es ja nicht eilig, Tiina war erst siebenundzwanzig, Pasi ein paar Jahre älter.
    Zuerst wollten sie reisen, ihren Wohnungskredit abzahlen und einen Zweitwagen kaufen. In ungefähr acht Jahren könnte Tiina sich eventuell vorstellen, Mutterschaftsurlaub zu machen.
    In acht Jahren war Tiina so alt wie ich jetzt. Dann war es auch für sie vielleicht zu spät, Kinder zu bekommen. Das sagte ich allerdings nicht laut.
    Im Einkaufszentrum schaute ich verdattert zu, wie Tina in einer Wäscheboutique einen Slip aus Spitze für zweihundert und zwei BHs für je dreihundertfünfzig Finnmark erstand. Im Kosmetikgeschäft blätterte sie ein Vermögen hin, aber das war es ihr wohl wert, denn die Grundierung deckte die blauen Flecken so vollkommen ab, dass die Passanten sie nicht mehr an-starrten.
    «Du schminkst dich wohl kaum?», fragte Tiina, während sie Nagellack aussuchte.
    «Ich hab es nie richtig gelernt.»
    «Reine Übungssache. Ich kann es dir beibringen. Deine Haut ist schuppig und gerötet, mit Make-up würdest du viel gepflegter aussehen. Nimm doch die gleiche Creme wie ich. Du siehst ja, wie gut sie abdeckt.» Sie redete wie eine verkaufstüchtige Kosmetikerin. Ich schämte mich, ihr zu sagen, dass ich mir die Creme nicht leisten konnte.
    «Du bist nicht verheiratet?», fragte sie mich, als wir von der Bushaltestelle zum Schutzhafen zurückgingen. Ich gab zu, allein zu leben.
    «Dann bist du also geschieden? Machst du deshalb diesen Job?» Sie schien zu glauben, dass im Frauenhaus ehemalige Gewaltopfer arbeiteten, nach dem Muster von Weight Watchers und Anonymen Alkoholikern.
    «Ich war nie

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