Lehtolainen, Leena
meisten unserer Klientinnen.
«Ich finde es ganz richtig, Pasi Leiwo eine Weile schmoren zu lassen. Vielleicht lernt er es im ersten Durchgang. Aber wer ist denn dieser Sulo, um den du dir Sorgen machst? Hast du nicht eine Katze, die so heißt? Ist ihr was zugestoßen?»
Ich wandte das Gesicht ab. Zum Glück klingelte das Telefon.
Wieder nicht für mich. Maisas Mann wollte wissen, welchen Wein er zum Abendessen kaufen sollte.
«Irgendeinen fruchtigen Weißwein, meinetwegen australi-schen Chardonnay. Der Dorsch schmeckt ziemlich mild …»
Ich versuchte wegzuhören, damit ich nicht wieder anfing, Maisa um ihren Mann zu beneiden, der ihr Blumen kaufte, sie ins Theater begleitete und Abendessen bei Kerzenlicht für sie vorbereitete. Den Rest des Tages quälte ich mich mit Akten herum. Mit Verwaltungsdingen gab sich Pauli nicht gern ab, die de-legierte er am liebsten an seine Mitarbeiterinnen.
Auf dem Heimweg schlug das Große, Schwarze, Schreckliche zu, dessen Namen ich nicht laut aussprechen konnte. Ich schaffte es gerade noch bis in den Flur, dann brach ich in haltloses Weinen aus. Es dauerte zehn Minuten, ehe ich in der Lage war, den Anrufbeantworter abzuhören und den Fressnapf zu inspi-zieren. Keine Nachricht über Sulo, nur die Ankündigung meines Bruders Raimo, er fahre nächste Woche mit seiner Frau nach Tallinn und brauche eine Unterkunft für eine Nacht.
Den Rest des Abends lag ich auf dem Sofa und weinte. Meine großen Pläne, mich zu ändern und ein neues Leben zu beginnen, schienen plötzlich sinnlos. Sulos Tod war die Strafe für das, was ich Ari Väätäinen angetan hatte. Aber warum musste eine unschuldige Katze darunter leiden, warum war es nicht ich, die einem betrunkenen Fahrer unter die Räder kam? Was war mit Sulo passiert? Vielleicht hatte der Katzenhasser aus dem Haus C
ihn vergiftet. Der Gedanke an meine Katze, die qualvoll zuckte, während sich das Rattengift in ihre Eingeweide fraß, war so entsetzlich, dass ich die Augen schloss und mir die Ohren zuhielt, aber das half nichts. Die Vorstellung hatte sich in meinem Kopf eingenistet.
Da klingelte es. Gleichzeitig glaubte ich, ein leises Miauen zu hören. Ich rannte zur Tür und riss sie auf.
«Mi-au», maunzte Sulo und sah mich aus seinem gesunden Auge an, das fast auf der Höhe meiner eigenen Augen war.
«Sulo!» Ich brach wieder in Tränen aus und lachte gleichzeitig, die Katze sprang in meine Arme und leckte mir vorsichtig das salzige Gesicht.
«Es tut mir Leid, dass ich die Katze jetzt erst gefunden habe», sagte der Mann, der vor der Tür stand und den ich erst jetzt sah.
«Ich war ein paar Tage verreist, sie muss in meine Wohnung geschlüpft sein, als ich wegging.»
Ich erkannte ihn sofort. Es war der ehemalige Häftling, dem ich in dem Lokal begegnet war.
Fünf
Fünf
Sulo schnurrte zufrieden auf meinem Arm. Ich sah ihn mir aufmerksam an. Er schien nicht verletzt zu sein und wirkte weder leidend noch verängstigt. Über unser Wiedersehen freute er sich eindeutig, aber keineswegs unmäßig.
«Wahrscheinlich hat sich die Katze in meine Wohnung geschlichen, als ich vorgestern gelüftet habe, weil die Hei-zungsmonteure geraucht hatten», sagte der Mann, der immer noch an der Tür stand. «Ich war zwei Tage in Tallinn, bin gerade erst zurückgekommen. Ich habe mich erst über den Gestank gewundert, und dann fand ich das Kerlchen hier auf dem Sofa.»
Natürlich, er war wütend und wollte eine Entschädigung. Er hatte kein Katzenklo, also hatte Sulo auf dem Fußboden seine Pfützen hinterlassen. Ich ließ ihn nur ungern in meine Wohnung, aber immerhin hatte er Sulo zurückgebracht.
«Kommen Sie herein, lassen Sie uns überlegen, was ich Ihnen schuldig bin», sagte ich.
«So hatte ich es nicht gemeint! Der Fußboden war doch im Nu aufgewischt.» Er trat ein, sein großer, breitschultriger Körper schien den Flur fast auszufüllen. «Die Katze wird hungrig sein.
Ich hatte einen Kochtopf im Spülbecken eingeweicht, daraus hat sie Wasser getrunken, aber bestimmt hat sie seit zwei Tagen nichts zu fressen bekommen als das Stück Lachs, das ich ihr vorhin gegeben habe.»
«Wie groß war denn das Stück?»
«Ungefähr wie eine Ratte.» Der Mann setzte sich unaufgefordert auf das Sofa. «Witzig, Ihre Wohnung ist das genaue Spiegelbild von meiner. Ich wohne auf der anderen Seite, im Erdgeschoss.»
Warum hatte das Schicksal ausgerechnet einen entlassenen Häftling in unser Haus geführt? Jetzt war es aus mit dem ruhigen Wohnen.
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