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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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einen Unfall gehabt. Ihr Chef war zum Krankenbesuch gekommen, aber sie hatte ihn nicht sehen wollen.
    Die Krankenschwester meinte, Tiina könnte schon sprechen, wolle aber offenbar noch nicht. Die Schweigepflicht hinderte mich daran, ihren früheren Aufenthalt im Schutzhafen zu er-wähnen. Am liebsten hätte ich sofort bei der Polizei angerufen, aber ich konnte nichts anderes tun, als sie abzuholen. Sie hatte nichts weiter bei sich als die halb zerrissenen Kleider, in denen sie angekommen war. Nach Auskunft der Klinik war sie vor einer Woche eingeliefert worden, abends gegen halb elf. Sie hatte sich ein Taxi bestellt, aber der Taxifahrer hatte nicht gewagt, die blutende und verwirrte Frau zu fahren, sondern hatte einen Krankenwagen alarmiert.
    «Ihre Angehörigen haben sie nicht besucht?»
    Die Krankenschwester schüttelte den Kopf. Tiina hatte auf dem Aufnahmeformular keine Angehörigen angegeben und darauf bestanden, dass nur ihr unmittelbarer Vorgesetzter von ihrem Aufenthalt in der Klinik unterrichtet wurde.
    Ich brachte sie in den Schutzhafen und gab ihr das beste Zimmer, mit Blick auf den Wald hinter dem Haus, wo sich die Eichhörnchen tummelten. Ich sagte ihr, ich wäre für sie da, wenn sie reden wollte, und bat sie, mir aufzuschreiben, was sie brauchte, Zahnbürste, Nachthemd und so weiter. Tiina nickte nur, ihre Augen waren rot gerändert und furchtsam.
    Im Allgemeinen scheute ich vor körperlichen Berührungen zurück. Ich hielt den Klientinnen die Hand, wenn sie es wollten, aber ich drängte ihnen keine Zärtlichkeiten auf. Jetzt konnte ich nicht anders, als Tiina zu umarmen. Ich war wütend auf mich selbst und auf Pauli, weil wir die Leiwos hatten gehen lassen, ohne sie zur Familientherapie zu verpflichten. Daher tat ich etwas, wofür Pauli mich gefeuert hätte: Ich rief Hauptkommissarin Kallio an.

    «Säde Vasara vom Frauenhaus Schutzhafen, guten Tag. Wir haben hier eine Klientin, die möglicherweise schwer misshandelt worden ist. Sie war eine Woche im Krankenhaus, sie hatte eine Gehirnerschütterung und ihr Kinn ist gebrochen.»
    «Will sie Strafanzeige erstatten?»
    «Sie kann noch nicht richtig sprechen, deshalb haben wir uns darüber noch nicht unterhalten.»
    «Weißt du mit Sicherheit, dass eine Misshandlung vorliegt?»
    Ich musste zugeben, es nicht zu wissen, und verfluchte die Schweigepflicht, die mich daran hinderte, weitere Angaben zu machen.
    «Tut mir Leid, aber ohne Anzeige können wir keine Vernehmung durchführen, dazu reichen unsere Ressourcen nicht», er-klärte Kallio. Empört knallte ich den Hörer auf.
    Ich hätte zu gern Pasi Leiwo angerufen und ihn zur Sau gemacht, aber ich durfte ihm nicht verraten, wo sich Tiina befand.
    Dann kam mir ein furchtbarer Gedanke: Und wenn Tiina Pasi umgebracht hatte? Wenn es gerade das war, was sie vergessen wollte?
    Die Telefone im Frauenhaus hatten eine eingebaute Sperre.
    Dadurch konnte der Empfänger eines Anrufs die Nummer nicht erkennen. Also wählte ich unbesorgt Pasis Handynummer, die ich von der Auskunft bekam. Als er beim ersten Läuten antwortete, legte ich beruhigt auf.
    Auf Tiinas Wunschliste standen Zahnbürste, Deodorant, Rei-nigungsmilch, Gesichtscreme und einige Kleidungsstücke, die ich aus unserem Lager holte. Schick würde sie darin nicht aussehen. Aber sie zeigte keine Anzeichen von Unzufriedenheit, als ich ihr die billigsten Hautpflegemittel aus dem Supermarkt und ein verwaschenes, zu kurzes Nachthemd brachte.
    «Wir können in deine Wohnung gehen und deine eigenen Sachen holen», schlug ich vor. Tiina schüttelte den Kopf.
    Bevor ich Feierabend machte, versuchte ich noch einmal mit ihr zu sprechen, bekam aber nur ein paar mühsam gemurmelte Worte zur Antwort. Sie wollte keine Anzeige und keinen Anwalt.
    Ihrem Arbeitgeber hatte sie ein ärztliches Attest geschickt. Sie war zwei Wochen krankgeschrieben, ohne Angabe von Gründen. Was genau passiert war, wollte sie mir nicht sagen.
    «Du kannst hier bleiben und Kräfte sammeln. Wenn Pasi an-ruft, wissen wir nicht, wo du bist», tröstete ich. Während ich nach Hause fuhr, dachte ich nach. Falls Tiina mich bitten sollte, Sachen aus ihrer Wohnung zu holen, würde ich den Trick mit dem Rasierapparat nicht noch einmal ausprobieren. Pasi Leiwo musste ich auf andere Weise loswerden.
    Er hatte mich nur einmal gesehen und nicht besonders auf mich geachtet. Vielleicht sollte ich ihn beobachten? Ein absurder Gedanke. Wie sollte ich mit dem Rad einen Mann im Auto verfolgen? Dennoch musste ich

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