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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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Mutter mir nicht früher von Heikki erzählt? Er bedroht und erpresst sie jetzt schon seit zwei Jahren, aber sie hat bei ihren Besuchen kein Wort davon gesagt.»
    «Weil sie Angst hatte. Für Anja warst du immer der gute Sohn, und sie hat sehr darunter gelitten, dass du ins Gefängnis muss-test.»
    «Willst du damit sagen, sie hatte Angst, dass ich auch Heikki umbringen würde?» Kalle streichelte Sulos Bauch, die Falten in seinen Augenwinkeln waren tiefer geworden und sahen nicht so aus, als kämen sie nur vom Lachen.
    «Vielleicht.» Das Weinglas in meiner Hand zitterte, ich hatte Schwierigkeiten, es an den Mund zu führen, ohne etwas zu verschütten. «Deine Mutter gibt sich die Schuld daran, dass dein Leben verpfuscht ist.» Ich errötete wegen der unglücklichen Wortwahl und versuchte meinen Fauxpas wieder gutzumachen:
    «Deine Mutter hat immer sehr liebevoll von dir gesprochen. Sie war sehr stolz auf dich, weil du eine Anstellung bekommen hast.»
    «Schuldgefühle», schnaubte Kalle. «Die haben immer die falschen Leute. Meine Gefängnisstrafe war verdient, weil ich nicht rechtzeitig gehandelt habe. Ich hätte Mutter in Sicherheit bringen sollen, statt meinen Vater zu töten. Hat sie erzählt, wie es passiert ist?»
    «Sie hat es nicht über sich gebracht, davon zu sprechen.»
    «Bringst du es über dich, mir zuzuhören?»
    Ich nickte, obwohl ich nicht sicher war, ob ich die Wahrheit hören wollte. Als Kalle zu erzählen begann, sah er nicht mich an, sondern Sulo.
    «Mein Alter hat Mutter immer schon geschlagen. Als Kinder hielten Heikki und ich das für normal. Uns hat er auch verhau-en, aber ich war mit dreizehn schon so groß wie er, da hat er aufgehört, weil er Angst hatte, ich würde zurückschlagen. Ich bin anders als der Rest der Familie, groß und dunkelhaarig, und das war auch ein Grund, weshalb er Mutter verprügelt hat. Er hatte den Verdacht, ich wäre nicht von ihm. Mutter hat vergeblich versucht, ihm zu erklären, dass in der Familie ihrer Groß-
    mutter alle groß und dunkelhaarig waren.
    Gleich nach dem Abitur bin ich ausgezogen. Der Alte fand es überflüssig, so lange zur Schule zu gehen, aber Mutter hat mich unterstützt. Von meiner Berufswahl war er auch nicht begeistert.
    Ich hab die höhere Handelsschule besucht und bin Bibliotheks-assistent geworden. Zum Schluss habe ich meine Eltern überhaupt nicht mehr besucht, weil ich es nicht ertragen konnte, wie der Alte soff und wie er Mutter behandelte. Wenn Mutter oder Heikki mich sehen wollten, haben wir uns in der Stadt getroffen. Jahrelang hab ich meinen Alten nur an Weihnachten gesehen, nicht mal zu seinem Fünfzigsten war ich dort. An Mutters Geburtstag bin ich dann doch hin, und da hab ich gemerkt, dass irgendwas faul war.»
    Er trank einen Schluck Wein, Sulo schnappte spielerisch nach seiner Hand. Kalle hatte lange, breite Finger, auf dem Handrü-
    cken traten die Adern hervor. Er nahm einen zweiten Schluck, bevor er fortfuhr:
    «Mutter gab schließlich zu, dass Vater sie ein paar Mal krankenhausreif geschlagen hatte. Natürlich sagte ich ihr, sie solle sofort ausziehen, aber sie hat sich nicht getraut. Mein Privatleben war damals ziemlich konfus, eine langjährige Beziehung war gerade zerbrochen, und dadurch hat sich auch die Band aufgelöst, in der ich in meiner Freizeit gespielt hatte. Erst als ich Mirja kennen lernte und mein Leben ruhiger wurde, habe ich angefangen, mich um Mutter zu kümmern. Einmal hab ich sie gezwungen, mit mir zur Polizei zu gehen und Anzeige zu erstatten, aber daraufhin hat der Alte sie gleich nochmal verprügelt.
    Mutter hat die Anzeige zurückgezogen, und ich konnte nichts tun. Ich glaube, damals hat sie angefangen, mir zu verschweigen, was er mit ihr anstellte.
    An Ostern vierundneunzig wollten Mirja und ich meiner Mutter Weidenkätzchen und Osterglocken bringen, ohne uns vorher anzumelden, es sollte eine Überraschung sein. Es kam niemand an die Tür, aber drinnen hörte man ein fürchterliches Klatschen und Stöhnen. Ich hab die Tür eingerannt und den Alten in der Küche gefunden, wie er gerade Mutter, die in der Ecke zusammengebrochen war, mit Fußtritten traktierte. Die Brat-pfanne stand auf dem Herd, ich hab sie genommen und zugeschlagen. Er war sofort tot, Schädelbruch. Ich hab selbst den Krankenwagen und die Polizei alarmiert.»
    Kalles Hände zitterten, zum ersten Mal sah er mich an. Ich hielt seinem Blick stand, obwohl es mir schwer fiel.
    «Ich wollte früher mal Zivildienst leisten, aber sie

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