Lehtolainen, Leena
verbunden.
«Kalle Jokinen und ich haben einen gemeinsamen Freund –
wenn man jemanden als Freund bezeichnen kann, den man ins Gefängnis gebracht hat, und das für viele Jahre», sagte Kallio bedrückt. Ihr Blick war der eines Menschen, dem ein Splitter unter dem Nagel sitzt, der nur zu entfernen ist, indem man vorher den Nagel abreißt.
«Ach, dieser Brudermörder?» Ich erinnerte mich an den Mann, von dem Kalle einige Male gesprochen hatte wie von einem guten Freund.
«Da hast du genau das richtige Wort gewählt. Ohne Kalle wäre er wahrscheinlich nicht mehr am Leben. Kalle hat gelernt, die Folgen seiner Tat zu akzeptieren, und er hat auch unserem Typen gezeigt, wie er mit seinem Verbrechen irgendwie weiterleben kann. Es fällt mir schwer zu glauben, dass Kalle den gleichen Fehler noch einmal gemacht hätte.»
Sie beugte sich vor und fummelte am Autoradio herum, bis sie auf der CD einen traurigen Song fand, in dem von der Eiszeit der Seele die Rede war, und stellte die Musik wieder so laut, dass ich mir am liebsten die Ohren zugehalten hätte, obwohl mir die Melodie gefiel. Sie sagte nichts mehr, sondern ließ das Lied gleich noch einmal laufen, bevor wir auf die Finnoontie abbogen.
«Sag dann Bescheid, welche Kreuzung.»
Ich gab ihr Anweisungen und wollte sie gerade bitten, mich am Ende der Straße aussteigen zu lassen, als sie überraschend fragte: «Darf ich mitkommen und Sulo guten Tag sagen? Ich habe noch nie eine einäugige Katze gesehen.»
Der Vorwand war so durchsichtig, dass ich am liebsten Nein gesagt hätte. Aber das ging nicht, ich musste den Eindruck ver-mitteln, nichts zu verbergen zu haben. Wie sah meine Wohnung überhaupt aus? Nachdem ich in der Nacht nur ein paar Stunden geschlafen hatte, war ich nicht in Aufräumlaune gewesen.
In der Küche stand wohl nichts herum …
«Bei mir sieht’s furchtbar unordentlich aus», versuchte ich mein Glück.
«Ach, da solltest du erst mal meine Wohnung sehen! Eine Katze plus ein zweijähriges Kind plus zwei Erwachsene, die alles andere lieber tun als putzen, da kannst du dir vorstellen, wie das Resultat aussieht.» Sie grinste, an ihrer Nasenwurzel bildeten sich putzige Fältchen. Ich ging die Vortreppe hinauf, auf der sich über das Wochenende gefährlich vereister Schnee ange-sammelt hatte. Ich musste unbedingt Sand streuen, damit ich mir nicht den Hals brach wie Heikki Jokinen.
Sulo wartete wie immer an der Tür. Er stupste mich an, ging dann aber dazu über, unseren Gast zu beschnuppern.
«Sulo, das ist Hauptkommissarin Maria Kallio», stellte ich vor.
«Eine hübsche Katze. Kann sie mit dem einen Auge denn auf die Jagd gehen?»
Kallio hob Sulo hoch und trat ein paar Schritte ins Wohnzimmer. Sie streichelte die Katze, aber ich war mir sicher, das sie sich gleichzeitig umsah und meine Wohnung in Augenschein nahm.
«Ich trau mich nicht, sie frei laufen zu lassen, um die Nachbarn nicht zu verärgern.»
«Das Problem kenn ich. Unser Einstein darf zwar allein auf den Hof, aber wir mussten ihm ein Glöckchen umbinden, weil er anfing, Vögel ins Haus zu schleppen. Die Nachbarn trauen sich wahrscheinlich nicht, sich zu beschweren, weil sie wissen, dass ich bei der Polizei bin. Manchmal ist mein Beruf eben doch nützlich.» Sie grinste wieder, dann sah sie mich wie um Entschuldigung bittend an und fragte nach der Toilette.
Sie wollte schnüffeln, das war ganz klar, aber ich konnte nicht umhin, ihr die Badezimmertür zu zeigen. Ich selbst ging in die Küche und trank ein Glas Wasser. Wenn sie doch endlich ver-schwinden würde, ich musste dringend duschen und luftigere Sachen anziehen. Die Kommissarin trödelte beängstigend lange im Bad herum, aber als sie herauskam, sah ich, dass sie ihre Frisur ausgebessert hatte. Sie nahm Sulo wieder auf den Arm und streichelte ihn, bis er anfing zu schnurren. Du Verräter, schalt ich meine Katze in Gedanken. Ich hatte mir eingebildet, Sulo könnte nette Menschen von blöden unterscheiden, denn vor meinen Schwägerinnen lief er davon und Pauli hatte er einmal gekratzt, aber offenbar hatte ich mich geirrt. Kallio schmuste minutenlang mit Sulo, bevor sie sich verabschiedete.
«War nett, dich kennen zu lernen, Sulo! Du darfst aber nicht mehr weglaufen und deinem Frauchen Kummer machen. Alles Gute für den Rest des neuen Jahres, Säde!»
Es war, als fiele ein bleierner Panzer von mir ab, als sie verschwand. Ich duschte und aß etwas, spielte die Vernehmung in Gedanken noch einmal durch und rief mir alles ins
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