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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeit zu sterben
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und die Beamten mir schweigend zuhörten, lag plötzlich Spannung in der Luft.
    «Wie oft sind Sie Heikki Jokinen begegnet?»
    «Nur zweimal. An einem Abend, als ich von der Arbeit nach Hause gehen wollte, stand er vor dem Schutzhafen auf der Stra-
    ße. Er fragte mich, ob seine Mutter im Haus sei. Er drohte mir und versuchte mich aufzuhalten. Ich konnte ihm entkommen und habe sofort die Polizei alarmiert, aber als der Streifenwagen kam, war er schon weg. Eigentlich wusste ich auch nicht genau, ob es Heikki war, aber …» Ich verhaspelte mich und wusste, dass ich einen völlig idiotischen Eindruck machte, aber das war besser so. Ein piepsiges Dummerchen würde man nicht so leicht verdächtigen, drei Männer umgebracht zu haben.
    «Und das zweite Mal?»
    «Beim zweiten Mal habe ich nicht einmal mit ihm gesprochen. Ich hatte einen Abendspaziergang gemacht und war unterwegs in ein Lokal gegangen. Ich habe ihn am anderen Ende der Theke sitzen sehen, glaube aber nicht, dass er mich bemerkt hat. Ich bin auch nicht lange geblieben, denn in dem Lokal hat es mir nicht gefallen.»
    Bisher hatte sich Wachtmeister Anu Wang nur durch das gleichmäßige Klappern der Computertastatur bemerkbar gemacht. Jetzt blickte sie mich an und fragte: «Sie kennen auch Kaarlo Jokinen?»
    «Er ist mein Nachbar.»
    «Da Sie nach Weihnachten mit ihm in der Wohnung von Heikki Jokinen waren, ist er wohl nicht nur Ihr Nachbar, sondern auch ein Freund.» Wangs schwarzbraune Augen sahen mich nachdenklich an.
    «Das auch», gab ich zu.
    «Haben Sie Kaarlo Jokinen erzählt, dass sein Bruder die Mutter misshandelt hat?»
    Hing Kalles Freiheit von meiner Antwort ab? Zum Glück brauchte ich nur die Wahrheit zu sagen.
    «Ich habe kein Wort über Anja und Heikki gesagt, erstens, weil ich an die Schweigepflicht gebunden bin, und zweitens, weil ich nicht wusste, dass Kalle zur gleichen Familie gehört.»
    In dem Moment klopfte es, und Hauptkommissarin Maria Kallio trat ein. Sie sah zerlottert aus. Die schwarze Jeans und der dunkelgrüne Pullover waren unpassend für eine Person in ihrer Position, und ihre roten Haare waren völlig verwuschelt, offenbar hatte sie am Morgen vergessen, sich zu kämmen.
    «Hauptkommissarin Kallio leitet die Ermittlungen. Sie haben doch nichts dagegen, wenn sie an dem Gespräch teilnimmt?», fragte Koivu formvollendet, aber das Lachen in seinen hübschen braunen Augen war mir nicht entgangen. War das ein sorgfältig einstudiertes Manöver, um mich zu überführen?
    «Natürlich nicht», murmelte ich, und Koivu fuhr fort:
    «Wussten Sie wirklich nicht, dass Kaarlo Jokinen Anja Jokinens Sohn ist?»
    «Nein. Jokinen ist ja ein häufiger Name.» Meine Stimme war wieder piepsig geworden, mir wurde warm im Kostüm. Auch ohne in den Spiegel zu schauen, wusste ich, dass die dünne Pu-derschicht das Weihnachtsapfelrot, das sich auf meinen Wangen ausbreitete, nicht verdecken konnte.
    «Wussten Sie, dass Kaarlo Jokinen auf Bewährung entlassen war, nachdem er wegen Tötung seines Vaters vier Jahre im Ge-fängnis gesessen hatte?», fragte Koivu mit seiner tiefen, freundlichen Stimme.
    «Ja. Oder nein. Das heißt …» Wieder kam ich ins Stottern, es juckte mich am Rücken, wo der Schweiß meinen Pullover feucht werden ließ. «Ich wusste, dass Kalle im Gefängnis gewesen ist, und später erfuhr ich, dass er wegen Totschlags verurteilt worden war. Dass er seinen Vater getötet hatte, hörte ich erst, als sich herausstellte, wer er ist … Dass er Anjas Sohn ist, meine ich.»
    Kallio hatte sich auf den Tisch gesetzt, es gab nur drei Stühle in Koivus Zimmer. Sie wippte mit den Füßen, die in hochhacki-gen Pumps steckten, was zu der Jeans komisch aussah.
    «Warum hat Kalle Jokinen dich in Heikkis Wohnung mitgenommen?»
    «Er wollte nicht alleine hin.»
    Kallio nickte und lächelte andeutungsweise. Dachte sie, dass Kalle mich mitgenommen hatte, weil er eine vertrauenswürdige Zeugin haben wollte, und dass ich so blöd war, mitzugehen, weil ich mich in Kalle verliebt hatte? Am liebsten hätte ich ihr gesagt, dass ich nicht so leichtgläubig war, sondern dass ich selber Kalle hinters Licht geführt hatte.
    «Aber als Sie mit Kalle Jokinen in die Wohnung seines Bruders gingen, wussten Sie da vom Totschlag an seinem Vater?»
    Diesmal kam die Frage von Wang.
    «Ja.»
    Ich musste mich konzentrieren, um nicht zu vergessen, was ich wann gewusst haben wollte, sonst würde ich mir früher oder später widersprechen. Ich dachte an die Vogelschlingen, die

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