Lehtolainen, Leena
Gegend kutschieren kann.«
»So hab ich das nicht gemeint. Du sollst mir eine Knarre besorgen oder genug Pillen, damit ich es hinter mich bringen kann.«
»An so etwas darfst du nicht einmal denken«, mahnte ich, obwohl ich wusste, dass ich an seiner Stelle genauso geredet hätte.
Gerade weil ich auf eigenen Füßen in eine Kneipe gehen konnte, tat ich es nicht, sondern fuhr nach Hause. Ich überlegte, was die größere Feigheit war: Kaitsu beim Selbstmord zu helfen oder ihm die Hilfe zu verweigern. Zu einer Entscheidung kam ich nicht. Einige Tage später rief Sirkka an und erzählte, sie habe einen Brief von Eero bekommen, in dem er noch einmal um Verzeihung bat und finanzielle Unterstützung versprach, falls Kaitsu sie brauchte. Sirkka war fest entschlossen, ihm nicht zu antworten.
Der zweite Februar, der Tag, an dem ich Auli Hatakka treffen sollte, nahte viel zu schnell. Ein paar Tage vorher wurde ich wütend auf mich selbst, weil ich mich bereit erklärt hatte, eine Unbekannte in mein Haus zu lassen. Ich räumte ein wenig auf und besorgte im Laden Hefeteilchen und ein Brot vom Bäcker aus Inkoo. Kaffee würde ich der guten Frau wohl anbieten müssen, immerhin hatte sie von Iisalmi mehrere Stunden zu fahren. Zum Glück war es ein zwar kalter, aber sonniger Tag.
Über dem Meer zogen allerdings bereits pflaumenfarbene Wolken auf.
Wir waren für zwei Uhr verabredet. Um fünf vor zwei hielt ein kleines rotes Auto vor meinem Haus. Ulla kläffte fröhlich und rannte so schnell an die Tür, dass sie über ihre eigenen Pfoten stolperte. Ihr Fell war inzwischen gelblich wie Schilf an einem Sommerabend. Ich wartete, bis die Frau anklopfte, bevor ich zur Tür ging.
Für eine Vierzigjährige war sie fast mädchenhaft. Die asch-blonden Locken waren zu einer Art Pferdeschwanz zusammengebunden, der ihr bis auf den Rücken hing, sie hatte dichte Augenbrauen und einen breiten Mund, ihr Körper war genau an den richtigen Stellen gerundet und sonst schlank. Ihr Händedruck war fest. Ich wurde nervös.
»Sehr freundlich von Ihnen, dass Sie mich zu Hause empfangen. Hier ist ein kleines Mitbringsel. Sie trinken doch hoffentlich Wein?«
Sie hielt mir eine Rotweinflasche hin. Das Siezen, das im Brief korrekt gewirkt hatte, kam mir plötzlich albern vor. Unbeholfen bot ich ihr das Du an und bat sie, Platz zu nehmen. Sie sagte, eine Tasse Kaffee trinke sie gern. Sie sei schon vor sieben losgefahren und habe ihre Kinder rasch bei den Verwandten in Kirkkonummi abgesetzt. Ulla schnüffelte an ihren Sachen.
»Meine jüngste Tochter heißt auch Ulla«, lächelte Auli Hatakka. »Sie ist fünfzehn und fängt endlich an, Jungen interessanter zu finden als Pferde und Hunde. Meine Zwillinge sind sechzehn.
Darf ich unser Gespräch aufnehmen? Ich werde das Band natürlich nur für meine Untersuchung verwenden.«
Ich gab meine Zustimmung und überlegte, ob ich die Rotweinflasche öffnen sollte. Allerdings war Auli, wie ich die Frau in Gedanken zu nennen versuchte, mit dem Auto unterwegs. Ulla kaute auf dem Kabel des Recorders herum. Sollte ich sie ins Schlafzimmer sperren? Nein, der Hund war hier zu Hause, die Frau nicht.
»Wir hatten auch einen Hund, aber er ist mit meinem Mann und meinem Schwiegervater bei einem Autounfall umgekommen, und einen neuen wollte ich mir nicht anschaffen«, sagte die Frau, als ich Ulla von den Kabeln wegscheuchte. »Die Kinder haben zwar gebettelt, aber sie würden im Zweifelsfall ja doch nicht mit ihm Gassi gehen. Hier auf dem Land ist es natürlich etwas anderes, da kann man den Hund einfach nach draußen lassen.«
Auli legte die Beine auf die Bank. In meiner Stube stand ein altmodischer Esstisch mit Sitzbänken, wie in meinem Elternhaus in Pielavesi. An diesem Tisch hätten zehn Personen Platz gefunden, aber mehr als vier hatten nie daran gesessen.
»Ich war so nervös, dass ich letzte Nacht kaum schlafen konnte, also habe ich unterwegs literweise Kaffee getrunken«, erklärte Auli. Obwohl sie nicht direkt Dialekt sprach, hörte ich den vertrauten nordkarelischen Tonfall heraus.
»Für mich ist das auch nicht alltäglich«, hörte ich mich sagen.
Ich stellte das Hefegebäck auf den Tisch und goss Kaffee ein.
Auli aß mit gutem Appetit; sie hatte kleine weiße Zähne. Ich tat Zucker in meinen Kaffee.
Zu Beginn erkundigte sich Auli nach den normalen Lebensda-ten und nach meinem Weg zum Schriftsteller; sie klagte, es sei nicht leicht, Informationen über mich zu finden. Selbst auf der Internetseite
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