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Lehtolainen, Leena

Titel: Lehtolainen, Leena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: du hättest vergessen Du dachtest
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Glück bin ich das von zu Hause gewöhnt, nur entkommt man diesen Typen hier keine Minute lang. Warum lässt man die Menschen nicht in Frieden leben, warum muss man sie zu etwas zwingen, was sie nicht wollen? Du verstehst mich natürlich nicht, Mutter, du sagst bloß, in den Krieg hätten damals auch alle ziehen müssen. Wäre Vater doch auch eingezogen worden und im Krieg gefallen! Du hättest einen besseren Mann verdient gehabt, und wir alle einen besseren Vater.«
    Eine Kette unglücklicher Menschen: zuerst Oma und Opa, dann Rane, Mutter und Kaitsu. Mit welchem Recht hätte ich glücklich sein dürfen? Seufzend räumte ich die Briefe ein und ging schlafen. Am nächsten Morgen setzte ich mich wieder an meine Magisterarbeit. Ich kam gut voran, in ein paar Tagen würde ich fertig sein. Ich ging zum Kühlschrank, goss ungesüß-
    ten Jogurt in ein Glas und gab kalorienarme Blaubeersuppe dazu. Gesund und magenfreundlich. Auf dem Gefängnishof drehten die Häftlinge ihre tägliche Runde. Die roten Jacken, die viele trugen, gaben dem Kreis eine höhnische Fröhlichkeit, als ob dort unten ein lustiger Ringelreihen veranstaltet würde. Wer bildete den Kreis, in dem ich umherlief?
    Ich entspannte meine Schultermuskeln und holte Mister Black hervor. Zuerst sang ich mich ein und hoffte, die Frau aus der unteren Etage würde nicht wieder an die Decke klopfen. Sicher konnte einem das unablässige Woi-woi und Loi-loi auf die Nerven gehen, aber ohne Stimmübungen ging es eben nicht.
    Ich ging mein Repertoire für die Prüfung durch, danach wollte ich mich mit meinen eigenen Songs befassen. Als ich gerade zum zweiten Mal mit »Ich bin eines toten Sängers Seele«
    anfing, klingelte das Telefon. Auf der Nummernanzeige stand
    »Karri«.
    »Hallo, Schatz«, sagte er fröhlich. »Wie ist es nun mit deiner Geburtstagsparty? Samuli hat am Freitag davor ein Probesingen in Helsinki, wir könnten also kommen.«
    Schatz! Karri hatte sich offenbar eine sehr unpräzise Wortwahl angewöhnt.

    »Wir können dir beim Kochen helfen, und dann habe ich auch ein himmlisches Bowlenrezept. Den Wodka dafür kaufe ich auf dem Schiff, darum brauchst du dich nicht zu kümmern. Außerdem stehen die geschicktesten Kellner von Stockholm zu deiner Verfügung.«
    »Könntest du mir auch ein zweites Zimmer mitbringen?«, fragte ich. Karri lachte. So kam es also, dass ich beschloss, meinen dreißigsten Geburtstag mit einer Party zu feiern.
    Ich zwang mich, weiterzuüben, statt die Gästeliste aufzustel-len. Erst als ich jedes Prüfungslied mehrmals durchgesungen hatte, fing ich an zu überlegen. Zwanzig Gäste waren das absolute Maximum, mehr passten nicht in meine Wohnung. Von dem Geld, das Mutter mir gegeben hatte, waren noch mehrere Tausender übrig, ich hatte also Geld genug für eine Party, vor allem, wenn Karri einen Teil der Getränke mitbrachte. Ob ich auch Kode Salama einladen konnte? Vielleicht sollte ich Pekka um Rat fragen. Verdammt nochmal, ich führte mich auf wie ein Teenager! Allerdings war das ja heutzutage das Ideal: nie erwachsen werden, nie altern. An dieses Motto hielt ich mich fast so strikt wie Sara.
    Ich wählte Pekkas Nummer. Seine offenkundige Freude, als er meine Stimme hörte, machte mich verlegen. Er hatte nie mit mir geflirtet und auch sonst auf keine Weise gezeigt, dass ich mehr für ihn war als eine alte Bekannte, doch er hielt mit seltsamer Beharrlichkeit Kontakt.
    »Ich werde bald dreißig«, stöhnte ich, nachdem ich ihm von Kaitsus weiterhin unverändertem Zustand berichtet hatte.
    »Meine Freunde bestehen darauf, dass ich eine Party gebe.
    Würdet ihr auch kommen, du und Kode – oder sollte ich Kodes Frau mit einladen? Viel Platz hab ich allerdings nicht.«
    »Dreißig … Bei mir ist es erst im November so weit. Na schön, jetzt hast du mir also auch diesen trüben Tag ins Ge-dächtnis gerufen. Hat dich die Krise schon gepackt?«

    »Das Leben ist eine einzige Krise.«
    »Wann kriegen wir deine Songs zu hören? Pass auf, wir machen ein Tauschgeschäft: Kode und ich kommen zu deiner Party, wenn du vorher für uns singst. Nimm mal gleich deinen Kalender zur Hand.«
    »Ich hab jetzt keine …«, begann ich, doch Pekka gab nicht nach. Da musste ich an Kaitsu denken, der vielleicht nie mehr eine Chance bekommen würde, und zwang mich, einen Termin für die nächste Woche zu vereinbaren. Nachdem ich aufgelegt hatte, setzte die Panik ein. Ich holte ein Paket Reiscracker aus dem Schrank, eine erlaubte Knabberei, bestrich einen dick

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