Lehtolainen, Leena
meines Verlags habe sie nur zwei Sätze entdeckt.
Aber was gab es über mich auch zu berichten: ein abgebrochenes Studium, ein paar Stipendien, keine Familie, keine Hobbys.
Natürlich könnte man jetzt den Hund hinzufügen.
»Warum heißt er eigentlich Ulla?«, fragte Auli. Die Antwort musste ich ihr schuldig bleiben. Der Hund hatte von Anfang an nach einem runden Namen ausgesehen, und »Ulla« war wie ein Streicheln, das den ganzen Rücken hinablief. Der Name Auli dagegen öffnete sich und schloss sich dann wieder, wie Schenkel, die sich um mich legten. Ich musste schlucken.
»Vielleicht sprechen wir als Nächstes über deine Stoffe«, sagte Auli, als wir die Kaffeekanne geleert hatten. »Du kannst nicht abstreiten, dass das übergreifende Thema deiner Werke der Vatermord ist. Als damals die Tragödie in deiner Familie geschah, habe ich schon in Iisalmi gewohnt. Meine große Schwester kannte euren Rane. Stimmt es, dass er die Tat nie zugegeben hat?«
»Ist das im Hinblick auf meine Bücher wirklich relevant?«
Ich wandte mich ab und schaute zum Fenster hinaus. Es dämmerte bereits. Was vom Himmel noch zu sehen war, färbte sich dunkelgrau, als kündige sich ein Schneesturm an. Stürme hatte es in diesem Winter genug gegeben.
»In deinen Büchern bleibt der Vatermord oft ungesühnt oder wird dem Falschen angelastet«, sagte Auli und schob mit der Zunge einen Krümel vom linken Eckzahn, der plötzlich auffällig spitz wirkte. »Ich habe die Verhandlungsprotokolle gelesen und mich gefragt, ob die Beweislage wirklich so eindeutig war. Du musst wissen, dass ich zwischendurch einige Jahre bei der Polizei gearbeitet habe.«
Hastig stand ich auf, damit Auli Hatakka die Angst in meinen Augen nicht sah. Ich musste die Frau loswerden, bevor …
EINUNDZWANZIG
Katja
… ich total zusammenbrach. Ich hatte viel zu viel zu tun und zu bedenken. Der Februar brachte Helligkeit, doch auch sie befreite mich nicht von dem Gefühl, den Aufgaben, die vor mir lagen, nicht gewachsen zu sein.
Vieles war positiv. Ich feilte an der Korrektur meiner Magisterarbeit und machte sogar schon ein Konzept für meine Dissertation. Außerdem hatte ich versprochen, für die Zeitschrift des musikwissenschaftlichen Instituts einen Aufsatz über die finnische Rockmusik der 80er und 90er Jahre zu schreiben – der erste respektable Titel in meinem Publikationsverzeichnis. Mein Professor hatte mir zugeredet, mich um die freie Assistentenstelle zu bewerben. Auch die Gesangsstunden verliefen einigermaßen zufriedenstellend. Ich würde die Gesangsprüfung ablegen und mir wegen der Note keinen Stress machen. Danach konnte ich mir noch immer überlegen, ob ich an der Musikschule bleiben wollte.
Beim nächsten Billardabend war Kode Salama wieder auf meine Songs zurückgekommen. Kaitsu war an dem Tag ins Reha-Zentrum verlegt worden, und Pekka hatte mich zum Billard eingeladen, damit ich auf andere Gedanken kam.
»Lasst mir Zeit, mich geistig darauf einzustellen, im Moment schaffe ich gerade mal die Sachen, die jetzt vereinbart sind«, seufzte ich und stieß die rosa Kugel ins Loch. Wenn ich bei der Präsentation meiner Songs nicht in der optimalen Verfassung war, würde ich meinen Traum womöglich gleich zunichtema-chen. In zwei Wochen würde die Magisterarbeit endgültig fertig sein, bis Ostern musste der Aufsatz abgeliefert werden, kurz danach war die Gesangsprüfung. Woher sollte ich die Zeit nehmen, meine Lieder so aufzupolieren, dass ich sie Kode vorspielen konnte?
»Was für Musik mag Kaitsu eigentlich?«, fragte Pekka. Er pausierte gerade und sah uns beim Spiel zu. Nach Kaitsus Unfall hatte er mich fast täglich angerufen. Auch seine Mutter hatte Grüße geschickt.
»Heavy Metal. Wieso?«
»Mal sehen, was wir ihm aus dem Programm unserer Firma schicken können. Er hat doch sicher einen Walkman?«
»Ja. Aber ihr braucht euch nicht …«
»Wir wollen aber. Scheiße!«, fluchte Kode, als der Queue abrutschte und im Loch landete. Ich lachte. In letzter Zeit lachte und lächelte ich so oft wie seit langem nicht mehr, obwohl ich manchmal das Gefühl hatte, solange es Kaitsu schlechtging, dürfte ich nicht fröhlich sein.
Eero Tiainen hatte mir einen langen Brief geschickt. Ihn Vater zu nennen gelang mir nicht einmal in Gedanken. Mein Vater, an den ich nur einzelne kleine Erinnerungen hatte, war ganz anders als dieser Eero Tiainen, Verkäufer in einem Möbelgeschäft, Vater von drei Kindern – oder von fünf, wenn man Kaitsu und mich
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