Lehtolainen, Leena
Dass er so einer … Als er bei uns gelebt hat, war er doch nicht religiös, oder?«
»Damals war er jung und sorglos. Denk einfach nicht mehr an ihn.«
»Morgen werde ich operiert, sie bringen mich mit dem Krankenwagen in die Uniklinik. Da arbeitet irgendein Mikrochirurg.
Versprechen können sie mir nichts.«
»Hast du gemerkt, was für einen niedlichen Po die junge Schwester hat?«
»Hab nicht hingeguckt.«
Wir saßen mehr oder weniger schweigend da, bis Sirkka kam.
Katja hatte erklärt, sie wolle ihren Vater nicht sehen, hatte ihm aber ihre Telefonnummer aufgeschrieben. Ich erklärte mich bereit, ihm den Zettel zu bringen, und fand Eero in einem Bett auf dem Gang. Er hatte die Hände gefaltet und bewegte lautlos die Lippen. In seinem Zustand würde er sicher nicht am nächsten Tag nach Göteborg zurückfliegen können.
»Der Herr straft mich, weil ich meine Frau verlassen habe«, stammelte er. Wenn er sich das einreden will, bitte schön, dachte ich und ging hinaus. Es war wieder kälter geworden, der angetaute und erneut gefrorene Schnee knirschte unter meinen Stiefeln. Die schmale Mondsichel war scharf genug, um Getreide damit zu schneiden. Ich hatte vergessen, Kaitsu Glück für die Operation zu wünschen, aber er wusste sicher ohnehin, dass ich das Beste für ihn hoffte.
Ich nahm den Bus nach Kirkkonummi, trank ein paar Bier und fuhr dann mit dem Taxi nach Hause. Ulla hatte auf den Fußboden gepinkelt. Sie konnte nichts dafür, ihre Blase war noch ziemlich klein. Ich wischte die Pfütze auf und ging schlafen.
Gegen zehn Uhr weckte mich das Telefon. Da ich aus dem wilden Klingeln schloss, dass nur Sara die Anruferin sein konnte, ging ich nicht dran. Kaitsus Operation dauerte bis zum Nachmittag, vorher waren also keine wichtigen Neuigkeiten zu erwarten. Um die Mittagszeit stand ich auf und heizte die Sauna.
Ein Feldhase und ein Marderhund hatten auf dem Hof ihre Spuren hinterlassen, Ulla nahm ihre Witterung auf und stürmte zum Waldrand.
Als das Telefon gegen zwei Uhr wieder klingelte, wagte ich es, mich zu melden. Es war Katja. Kaitsu lag im Aufwachraum, aber die Ärzte konnten immer noch nicht sagen, ob die Operation erfolgreich gewesen war.
»Sind Sirkka und Eero dort?«
»Mutter ist hier. Eero Tiainen hat immer noch so starke Rü-
ckenschmerzen, dass er nicht nach Hause fliegen kann. Er ist jetzt bei einem Bekannten in Helsinki. Ich bin gestern Abend in die Klinik gegangen, um ihn zu sehen und um Mutter abzuholen, weil sie mich in der Nacht vor der Operation bei sich haben wollte, und …« Katja fing an zu weinen. Ich hielt den Hörer ein Stück vom Ohr weg und nahm einen Schluck aus der Bierflasche.
»Er ist ein Fremder für mich. An diesen Mann will ich mich nicht erinnern, ich will den jungen, schlanken Vater im Ge-dächtnis behalten, der immer gelacht und gesungen hat«, schluchzte Katja. »Mutter hat ihn nicht mal angeguckt, als er sie um Entschuldigung bitten wollte … Es war alles so peinlich …«
Die Heimkehr des verlorenen Vaters war offensichtlich nach dem falschen Drehbuch verlaufen. Hätte die Familie Tiainen ihren Eero gnädiger aufgenommen, wenn er ein verantwortungs-loser, abgerissener Säufer gewesen wäre? Die Frauen bestimmt, weibliche Logik ist merkwürdig. Wenn Eero keine Reue gezeigt hätte, wäre er begehrenswerter gewesen.
»Hast du die Boulevardblätter gesehen?«
»Die kommen nicht von allein ins Haus.«
»Der Bericht ist in beiden nicht groß ausgefallen, aber beide erwähnen, dass der Taxifahrer Drogen genommen hat. Zum Glück wird Kaitsus Name nicht genannt. Hast du den Abgeordneten schon angerufen?«
»Bin noch nicht dazu gekommen. Wann erfahrt ihr denn, ob die Operation erfolgreich war?«
»Wenn Kaitsu aus der Narkose erwacht. Soll ich dich dann wieder anrufen?«
»Ja, tu das.«
Ich ging in die Sauna, wackelte mit den Zehen und betrachtete das seit langem untätige Glied zwischen meinen Beinen und den Bauch, auf dem bereits ein zentimeterdickes, schlaffes Polster lag. In den letzten Wochen hatte ich mich nicht rasiert, obwohl es mich störte, wie grau mein Bart geworden war. Als ich meine linke Gesichtshälfte im Spiegel sah, erkannte ich darin das Gesicht meines Vaters. Meine Züge würde später niemand in seinem eigenen Gesicht suchen, weder hasserfüllt noch liebevoll. Andererseits war es noch nicht zu spät. Ich musste mir nur ein sportliches junges Mädchen mit roten Wangen suchen, eins, das höchstens in Katjas Alter war.
Ich saß müßig auf
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