Lehtolainen, Leena
wirkte auf den zweiten Blick doch interessant. Seine schwarzen Haare waren lang und wirr wie bei einem Künstler. Er kam mir bekannt vor.
»Kode«, stellte er sich vor, und da ging mir auf, dass es sich um Katjas Idol handelte, mit dessen Postern sie früher ihr Zimmer tapeziert hatte.
»Wie kommst du denn auf Katjas Party?«, entfuhr es mir, bevor ich daran dachte, mich ebenfalls vorzustellen. »Ich bin Sara Selin, die kleine Schwester von Katjas Mutter. Das heißt, eigentlich fühle ich mich eher wie Katjas Schwester, wir sind zusammen aufgewachsen. Toll, dich kennenzulernen! Ich bin nämlich auch Künstlerin.«
Kode saß auf einem Küchenhocker zwischen dem Tisch und dem Fenster. Ich setzte mich aufs Fensterbrett und unterhielt mich mit ihm, denn er war mit Abstand der interessanteste Typ auf der Party. Dass Katja ihre Magisterarbeit über seine ehemalige Band geschrieben hatte, war mir neu. Ich erzählte ihm von meinem Leben und berichtete ihm auch, wie heftig Katja früher für ihn geschwärmt hatte.
»Die Wände waren mit deinen Starfotos gepflastert, und eins davon hat sie jeden Abend geküsst. Sie nahm es immer mit, wenn sie verreiste, und im Sommer in Pielavesi, wo wir gemeinsam in der Dachkammer schliefen, habe ich gesehen, wie sie ihm einen Kuss aufdrückte. Ist das nicht süß?«
Kode Salama wurde rot. Die meisten männlichen Künstler sind wahnsinnig von sich eingenommen und für jede Schmeichelei empfänglich. Sirkka und Veikko blieben nicht lange.
Wahrscheinlich konnte Sirkka das fröhliche Treiben nicht ertragen, weil sie immerzu an ihren gelähmten Sohn denken musste, und Veikkos Hund knabberte bei jedem an den Schuhen und wollte nach draußen. So ein Tier ist ganz schön lästig.
Die Stimmung war nicht besonders inspirierend, in der engen Wohnung konnten sich die Leute kaum rühren und verwechsel-ten dauernd ihre Bowlengläser. Karri und sein Beau hatten ein entsetzlich starkes Gesöff zusammengemixt. Kode Salama murmelte, er wolle etwas holen, und schlüpfte hinaus. Nach einer Weile merkte ich, dass Katja und er verschwunden waren.
Ich wollte auf die Toilette, doch die Tür war verriegelt, und von drinnen hörte ich Stimmen.
»Ich dachte, ihr würdet gar nicht kommen, nachdem ich mich im Studio so blöd aufgeführt hab.«
Das war Katja.
»War doch klar, dass wir zu deiner Fete erscheinen«, sagte eine unbekannte Männerstimme.
»Ich sollte wohl endlich lernen, diplomatischer zu sein«, fügte ein anderer Mann hinzu, dessen Stimme ich sofort erkannte: Es war Kode Salama. »Vor allem hätte ich dir sagen müssen, dass du eine phantastische Stimme hast. Und deine Songs … Aus denen lässt sich definitiv was machen. Wir hätten wirklich gern mehr gehört. Wir müssen unbedingt mal zusammen spielen, damit du dich an uns gewöhnst und locker wirst.«
»Wir sind nämlich dabei, eine Band aufzubauen«, meldete sich der erste Mann wieder zu Wort. »Kode spielt Gitarre, ich Bass, Jussi von der alten Salamasota-Besetzung Schlagzeug, den Keyboarder suchen wir noch. Aber dann haben wir uns überlegt, dass eine akustische Gitarre und eine Frauenstimme …«
»Wir wissen, dass du keine Banderfahrung hast«, unterbrach ihn Kode, »aber wärst du bereit, es zu probieren? Ganz unverbindlich. Den Gefängnissong möchten wir unbedingt im Repertoire haben. Ich höre schon eine Mundharmonika im Hintergrund, aber das Gitarrensolo will ich selbst spielen, auf der elektrischen, und …«
»Ich glaub, ich träume!«, stöhnte Katja. Warum in aller Welt hatten die drei Egoisten sich auf der Toilette eingeschlossen? Ich klopfte, denn jetzt musste ich wirklich. Katja öffnete die Tür, sie grinste wie ein Honigkuchenpferd.
»Entschuldige … ich hab gerade das allertollste Geburtstags-geschenk bekommen«, stammelte sie und umarmte mich.
»Natürlich bin ich dabei. Wann ist die erste Probe?«
Kode Salama und ein kleiner Mann mit breitem Mund verlie-
ßen nach ihr die Toilette.
»Habt ihr da drinnen Gruppensex getrieben?«, rief Samuli.
»Ich wusste gar nicht, dass es auf Heteropartys schon am frühen Abend so wild zugeht!«
Die anderen lachten, während ich mich im Bad einschloss, um noch etwas schwarzen Kajal und kirschroten Lippenstift aufzutragen. Ich befand mich gerade in einer Schwarz-Gold-Kirschrot-Phase. Auch meine Wohnung hatte ich in diesen Farben dekoriert, denn ich brauche mindestens einmal im Jahr eine ganz neue Umgebung.
Katja legte ihr idiotisches Lächeln den ganzen Abend nicht mehr ab.
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