Lehtolainen, Leena
geht mich natürlich nichts an, aber …«
»Doch, das tut sie, liebste Sara!« Er unterbrach mich, was er früher nie getan hatte. »Du hast mir im letzten Herbst gesagt, ich müsste lernen, auf die Stimme meines Herzens zu hören. Ich bin von Natur aus langsam und besonnen, eine typische Jungfrau, wie du gestichelt hast. Ich brauche lange, um zu einem Entschluss zu kommen, aber hier bin ich nun, Sara, und will nur dir allein gehören.«
»Ich fahre morgen für zwei Wochen auf die Malediven«, erwiderte ich konsterniert. »Ich habe dir nie versprochen, auf dich zu warten.«
»Hast du schon einen anderen?«
»Das geht dich nichts an.«
»Aber ich habe es Marita schon gesagt …«
»Sie zu verlassen ist das Vernünftigste, was du tun kannst, aber unsere Wege haben sich längst getrennt. Wir sind uns begegnet wie zwei Schiffe in der Nacht, doch das Schicksal hat uns voneinander fortgeführt. Deine Entscheidung kommt zu spät, Juhani. Leb wohl!«
Ich legte auf und ging nicht mehr ans Telefon, obwohl es wer weiß wie oft klingelte. Stattdessen verspürte ich den Drang zu malen. Ich schuf ein dunkles, stürmisches Meer, auf dem zwei Schiffe in entgegengesetzter Richtung aneinander vorbeiglitten.
An Deck des einen schwenkte eine lächelnde Frau mit schwarz-rotem Haar ein blutrotes Taschentuch, während an der Reling des anderen ein vertrockneter Mann in braunem Anzug trostlos weinte. Ich nannte das Bild »Schiffe in der Nacht«. Vielleicht würde ich es Juhani schenken, zur Erinnerung an unsere kurze, aber schöne Freundschaft.
Am Abend vor der Abreise ging mir plötzlich auf, dass ich die ganze Zeit angenommen hatte, Kaitsu würde mich zum Flughafen bringen. Dabei konnte der arme Kaitsu doch nicht mehr fahren! Also musste ich ein völlig fremdes Taxi bestellen. Die Maschine ging schon um acht, und bei diesen ordinären Charter-flügen musste man bereits zwei Stunden vorher am Flughafen sein. Vermutlich waren Leute, die auf die Malediven reisten, wenigstens zivilisierte Menschen und keine vulgären Massen-touristen, die schon am frühen Morgen Bier trinken. Ich komme natürlich mit allen Menschen aus, aber mangelnde Sensibilität erfüllt mich immer wieder mit Entsetzen.
In der Nacht vor der Reise machte ich kein Auge zu, aus lauter Angst, weder das Klingeln des Weckers noch den Weckruf des Handys zu hören. Unter normalen Umständen hätte ich Sirkka gebeten, mich zu wecken, denn sie stand immer wer weiß wie früh auf, als wäre sie auf einem Bauernhof und müsste die Kühe melken. Doch diesmal musste ich ganz allein zurechtkommen.
Um viertel vor fünf stand ich schließlich auf und begann mich zu schminken. Morgens kann ich nichts essen, aber ich trank ein Glas Orangen-Möhren-Saft. Das hält mich jung.
Es war fast unmöglich, ein Taxi zu bekommen, dabei war es ein ganz normaler Donnerstagmorgen. Ich war nahe daran, zu verzweifeln, als mir plötzlich die Lösung einfiel. Sollte Juhani mir ruhig seine Liebe beweisen. Er wohnte nicht weit weg, in Kumpula. Ich rief ihn auf dem Handy an.
»Juhani, Liebster, ich habe die ganze Nacht wach gelegen und muss unbedingt mit dir sprechen, bevor ich abreise. Wenn du mich abholst, können wir uns im Auto unterhalten.«
Er wirkte verwirrt, versprach aber, sofort zu kommen. Rasch überprüfte ich mein Make-up und kämpfte mich mit dem Koffer ab, der kaum zugehen wollte. Ich hatte natürlich Skizziermateri-al und eine kleine Staffelei dabei, denn eine neue Umgebung wirkt oft inspirierend.
Nach einer Viertelstunde stand Juhani vor der Tür.
»Mach voran, sonst verpasse ich meinen Flug«, sagte ich, als er an einer gelben Ampel anhalten wollte. »Liebling, versteh doch bitte, dass ich Zeit brauche. Die Reise verschafft mir eine Denkpause. Es hat mich sehr verletzt, dass du im Herbst deiner Frau den Vorzug gegeben hast.«
Juhani verstand mich. Am Flughafen war er sogar kühn genug, seinen Wagen auf dem Taxiparkplatz abzustellen, um mir den Koffer tragen zu können. Vor dem Check-in herrschte ein unglaublicher Andrang. Ich marschierte an der Schlange vorbei und erklärte, ich hätte solche Rückenschmerzen, dass ich keine Minute stehen könne. Das alte Ehepaar, das an der Reihe gewesen wäre, ließ mich bereitwillig vor.
An der Passkontrolle wurde ich Juhani endlich los. Ich nahm mir vor, keinen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden.
Sollte er sein Leben gefälligst allein in Ordnung bringen, ich wollte jetzt …
DREIUNDZWANZIG
Kaitsu
»… scheißen«, sagte ich
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