Lehtolainen, Leena
und spätabends aus dem Haus gewagt, weil ich Angst hatte, die Nachbarn würden mit dem Finger auf mich zeigen und sich zuflüstern: »Das ist die, die sich immer übergibt.«
Das Handy klingelte wieder. Ein unbekannter Anrufer, ich überlegte, ob ich lieber nicht antworten sollte. Dann gab ich mir einen Ruck.
»Hallo, hier ist Kode Salama. Entschuldige, dass ich mich so spät melde, aber ich war verreist und habe deinen Brief erst gestern bekommen. Schreibst du wirklich eine Magisterarbeit über uns?«
Mein Mund war wie ausgetrocknet, mir zitterten die Beine, und ich hatte plötzlich Bauchschmerzen vor lauter Aufregung.
Hilfe! Sollte ich Kode sagen, er wäre falsch verbunden?
»Ja … Über Salamasota, Ne Luumäet, Luonteri Surf und so weiter …«
»Hier in Helsinki an der Uni?« Seine Stimme klang so fröhlich und heiser, wie ich sie in Erinnerung hatte.
»Ja.«
»Wenn ich zu deinen Fragen alles aufschreibe, was mir einfällt, kommt ein ganzer Roman dabei heraus, oder jedenfalls so viel, dass dein E-Mail-Account zusammenbricht. Es macht irre Spaß, über seine eigene Musik zu reden. Meine Plattenfirma hat ein Studio in der Elimäenkatu, da könntest du doch einfach mal vorbeikommen. Wie eilig hast du’s?«
»Im April müsste ich fertig werden …«
»Bei mir ist die nächste Woche ziemlich easy, hast du am Donnerstag Zeit? Am frühen Nachmittag?«
An dem Tag sollte mein Seminar beginnen. Aber nach dem Treffen mit Kode Salama wäre ich bestimmt stundenlang zu nichts mehr fähig.
»Das passt eigentlich nicht so …«
»Und am Freitag, gegen Mittag?«
Ich schrieb mir die Adresse des Studios auf und wusste, dass ich mich anhörte wie eine Idiotin. Kode verabschiedete sich fröhlich. Ich starrte das Handy an und wusste nicht, wie mir geschehen war.
Dann fing ich an zu schreien. Ich tanzte durch das Zimmer und kreischte vor Freude, ohne an die Nachbarn zu denken. Gleich würde ich platzen, gleich würde ich aufwachen und feststellen, dass ich nur geträumt hatte. Ich legte eine Platte von Salamasota auf und gab …
ELF
Kaitsu
… Gas, war im Nu auf hundertdreißig und zeigte der lahmen Oma den Stinkefinger, als ich an ihr vorbeizog. Einfach die Überholspur zu blockieren! Sie konnte von Glück sagen, dass ich ein Berufsfahrer war und kein Stümper. Verdammt nochmal, die hatte mir vielleicht einen Schreck eingejagt! Jeder normale Mensch zieht auf der Überholspur mit vollem Tempo am Lkw vorbei, statt gemütlich mit achtzig dahinzuzockeln. Ich hätte mir das Kennzeichen merken sollen, dann hätte ich die Tante nachher anrufen und ihr ein bisschen Fahrunterricht geben können. Blöde Kuh!
Gestern habe ich Katja an einer Ampel gesehen. Als ich hupte, hat sie ganz komisch gezuckt, bis sie merkte, dass ich es war.
Mein Fahrgast fragte, ob das meine Freundin sei. Ich gab ihm keine Antwort, mein Privatleben geht die Kunden nichts an. Der Kerl auf der Rückbank war gesprächig, auf dem Weg von Kaisaniemi nach Käpylä wollte er mir unbedingt Fotos von seinen Kindern und seiner Alten zeigen. Scheiße, ich wünschte, zwischen Vorder- und Rücksitz gäbe es eine schallisolierte, kugelfeste Glaswand. Dann könnte ich ungestört auf die Idioten fluchen, die ihren Führerschein im Lotto gewonnen haben, und bräuchte keine Angst zu haben, dass irgendein Araber ein Messer unter seinem Kaftan hervorholt und mich ausraubt. Eine Gaspistole ist schön und gut, aber ich will eine richtige Waffe.
Ich muss wohl ein paarmal auf den Schießstand gehen, damit ich den Waffenschein kriege.
Mich nervt unsere Gesellschaft mit ihren Vorschriften und Regeln. Ich kann dreißig Stunden am Stück arbeiten, kein Problem, aber die Taxikontrolle regt sich darüber auf. Vor der Arbeit braucht mich keiner zu schützen. Bei Rockit haben wir Tag und Nacht durchgearbeitet, zwischendurch ein paar Stunden auf dem Sofa gepennt und dann weitergemacht. Aber die Gesetze werden ja von sechzigjährigen Sozialwachteln gemacht, die schaffen natürlich nicht mehr so viel wie wir Jüngeren.
Von Drogen haben sie erst recht keine Ahnung. Roni, Yazu und ich haben mal eine Anzeige in der Zeitung gesehen, für eine Drogen-Info-Stelle. Roni und ich haben gewitzelt, wir könnten ja mal hingehen und fragen, wo es Stoff gibt. Yazu hat uns schweigend zugehört und plötzlich gesagt:
»Der Häuptling raucht das ganze Gras, verdammt nochmal!«
»He, das war doch nicht ernst gemeint«, versuchte ich ihn zu beschwichtigen. So verdreht, wie Yazu ist, hätte er
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