Leibniz war kein Butterkeks
Getriebe der Leidenschaft. Aber genau diese Eigenschaft der Vernunft kann uns helfen, wenn es in der Liebe mal nicht ganz so dolle läuft. Denn mithilfe der nüchternen Vernunft können wir überzogene Erwartungen an unsere Partner herunterpegeln und fatale Leidenschaften, die nur Leiden schaffen, eindämmen.
Heißt das, dass wir die Vernunft je nach Situation an- und ausschalten sollten?
Ja. Genau das sollten wir lernen! In romantischen Situationen sollte die Vernunft nur im »Standby-Betrieb« laufen, da sie in der Lage ist, selbst die schönsten, leidenschaftlichsten Momente zu ruinieren. Bei Problemen wie Eifersucht sollte sie jedoch in den absoluten »High-Level-Modus« geschaltet werden, denn derartige Leidenschaften zu ruinieren, ist für uns alle nur von Nutzen!
Ist es denn möglich, die Vernunft so einfach an- und auszuschalten?
Ich sage nicht, dass das »einfach« ist, aber man kann es trainieren! Leider wird so etwas in unseren Schulen nicht unterrichtet, obwohl es dringend vonnöten wäre: Denn die Fähigkeit, im richtigen Augenblick zwischen rationaler Kontrolle und bedingungsloser Hingabe hin und her zu schalten, ist zweifellos eine der wichtigsten Kompetenzen in der »Kunst des Lebens«. So wenig vernünftig es ist, immer vernünftig zu sein, so unvernünftig ist es, die Vernunft nicht zu gebrauchen, wenn blinde Leidenschaften uns ins Unglück stürzen.
Hmmm … Wenn ich darüber nachdenke, wie eifersüchtig ich in der Vergangenheit manchmal reagiert habe, könnte ich so einen »An-und-aus-Schalter für die Vernunft« schon gebrauchen. Aber sei’s drum: Was hältst du davon, wenn wir jetzt statt weiter über die Unvernunft zu reden, etwas richtig Unvernünftiges tun? Wir könnten doch zum Beispiel runter in die Stadt fahren, in verruchten, verrauchten Lokalen herumhängen, völlig überteuerte Cocktails trinken und uns anschließend für viel Geld mit dem Taxi wieder nach Hause fahren lassen! Was meinst du? Ich beteilige mich auch an den Kosten.
Das hört sich nach einem äußerst vernünftigen-unvernünftigen Vorschlag an! Wie könnte ich dazu »nein« sagen? Wer zuletzt am Auto ist, zahlt die erste Runde …
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»Solange man nicht die Moral des Christentums als Kapitalverbrechen am Leben empfindet, haben dessen Verteidiger gutes Spiel«, schrieb Friedrich Nietzsche (1844–1900), der wohl die schärfste Anklage formulierte, die jemals gegen das Christentum erhoben wurde. Die christliche Moral habe, so Nietzsche, zur »Abwertung der Lüste« sowie zur »Verachtung des Leibes« geführt und dadurch zur »Vergiftung, Verleumdung, Verneinung des Lebens« beigetragen. Der »Philosoph mit dem Hammer« und »Umwerter aller Werte« (Nietzsche über Nietzsche) setzte dagegen die »Bejahung des Lebens«. Wortreich verteidigte er die natürlichen Triebe sowie den »dionysischen Rausch« (Dionysos: griechischer Gott des Weines, der Freude, Fruchtbarkeit und Ekstase) gegen die »Tyrannei« einer kränklichen und krankmachenden Moral, die Nietzsche nicht nur in der theologischen Literatur erblickte, sondern auch in der Vernunftsphilosophie Immanuel Kants.
Kants Auffassung, der Mensch habe die Pflicht, den allgemeinen Prinzipien der Vernunft zu gehorchen und sich dabei notfalls gegen die eigenen, sinnlichen Bedürfnisse zu entscheiden, stufte Nietzsche als »lebensgefährlich« ein, ja: als Ausdruck eines philosophischen »Idiotismus«. Ganz so weit wollte der klassische Dichter und Philosoph Friedrich Schiller (1759–1805) nicht gehen, aber auch ihm war (trotz aller Kant-Verehrung) die Leib- und Sinnesfeindlichkeit des Königsberger Philosophen aufgefallen. Schiller kritisierte, dass in der kantschen Moralphilosophie die »Idee der Pflicht in einer Härte vorgetragen« werde, »die alle Grazien zurückschreckt und einen schwachen Verstand leicht versuchen könnte, auf dem Weg einer finstren und mönchischen Asketik die moralische Vollkommenheit zu suchen«. Gegen die Tyrannei der Vernunft über die Triebe setzte Schiller ein harmonisches Miteinander von »Sittlichkeit« und »Sinnlichkeit«. Nur auf diese Weise, meinte er, hätten vernünftige Einsichten eine Chance, sich gegen widerstrebende Vorstellungen durchzusetzen, schließlich seien die Triebe die »einzigen bewegenden Kräfte in der empfindenden Welt«. Eine rein rationale Aufklärung, wie Kant sie betrieben hatte, sei nicht genug, denn »der Weg zu dem Kopf« müsse »durch das Herz geöffnet werden«.
Schillers Vorstellung eines
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