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Leibniz war kein Butterkeks

Titel: Leibniz war kein Butterkeks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Lea; Schmidt-Salomon Salomon
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harmonischen Miteinanders von Vernunft und Gefühl nahm einiges von dem vorweg, was Ende des 20. Jahrhunderts unter dem Begriff »emotionale Intelligenz« (EQ) gefasst wurde. Der amerikanische Psychologe und Wissenschaftsjournalist Daniel Goleman (*1946) definierte »emotionale Intelligenz« als »die Fähigkeit, unsere eigenen Gefühle und die anderer zu erkennen, uns selbst zu motivieren und gut mit Emotionen in uns selbst und in unseren Beziehungen umzugehen«. Dass eine solche emotionale oder personale Intelligenz über die Erfolge im Leben letztlich mehr aussagt als der IQ, meinte auch der amerikanische Psychologe Howard Gardner (*1943): »Viele, die einen IQ von 160 haben, arbeiten für Leute mit einem IQ von 100, wenn die Ersteren eine geringe und die Letzteren eine hohe intrapersonale Intelligenz haben.« Daher plädierten Gardner und Goleman dafür, Kinder nicht nur in der sprachlichen oder mathematischen Intelligenz zu fördern, sondern auch im Hinblick auf die Ausbildung ihrer emotionalen Intelligenz.
    Ob Friedrich Nietzsche, der »Umwerter aller Werte«, eine besonders ausgeprägte emotionale Intelligenz besaß, darf bezweifelt werden. Zwar war Nietzsche zweifellos einer der größten Psychologen unter den Philosophen, doch er vermochte weder mit seinen eigenen Emotionen noch mit den Emotionen anderer sonderlich gut umzugehen. Sein gewaltiges Werk erscheint wie eine tragisch gescheiterte Selbsttherapie. Denn sosehr sich Nietzsche von Vorurteilen zu befreien hoffte, so sehr blieb er doch am Ende in den Vorurteilen seiner Zeit verhaftet. Anders lassen sich seine verheerenden Urteile über Frauen, Juden oder Sozialisten kaum erklären.
    Wenn ein Philosoph der Moderne die nietzscheanische Auszeichnung der »fröhlichen Wissenschaft« verdient hätte, dann der geniale, lebenslustige, französische Arzt und Philosoph Julien Offray de La Mettrie (1709–1751). La Mettrie war, wie der »aufgeklärte Hedonist« Bernulf Kanitscheider (*1939) schrieb, »zweifellos der kompromissloseste und offenherzigste Verteidiger der Lebenslust unter den Philosophen«. Schon 1747 musste er aus Frankreich fliehen, nachdem seine ersten »ketzerischen« Schriften dort verbrannt worden waren. Anfang 1748 geriet er nach der Veröffentlichung seines wegweisenden Buchs »Der Mensch als Maschine«, in dem er schonungslos die naturwissenschaftlichen Grundlagen unseres Denkens und Empfindens aufdeckte, auch im liberalen Holland in Gefahr. La Mettrie gelang die Flucht nach Potsdam, wo er als Leibarzt und Gesellschafter am Hofe des »aufgeklärten Monarchen« Friedrich des Großen (1712–1786) seine letzten Jahre verbrachte.
    Der »alte Fritz«, wie Friedrich II. später genannt wurde, hatte als junger König erklärt, jeder solle »nach seiner Façon selig werden«. Gemäß dieser Auffassung lockerte er die Zensurbestimmungen in Preußen und umgab sich auf Schloss Sanssouci mit führenden Freigeistern seiner Zeit, unter anderem Voltaire (1694–1778) und La Mettrie. Doch bei Letzterem stieß die sprichwörtliche Toleranz des »alten Fritz« bald an ihre Grenzen: Auf die Veröffentlichung von La Mettries bedeutendstem Werk »Über das Glück oder das höchste Gut« reagierte er mit dem »Edict wegen der wieder hergestellten Censur«. Friedrich soll sogar eigenhändig zehn Exemplare der Schrift ins Feuer geworfen haben.
    Obwohl Friedrich II. das Buch über das Glück sowie La Mettries zweites Hauptwerk »Die Kunst, Wollust zu empfinden« als Gefahr für die Sittlichkeit seiner Untertanen betrachtete und ihre Verbreitung untersagte, behielt er den aufmüpfigen Franzosen in seiner Hofgesellschaft. Warum? Offenbar wusste er den persönlichen Umgang mit ihm sehr zu schätzen. Als La Mettrie 1751 unter mysteriösen Umständen starb (die offizielle Version lautet, La Mettrie habe eine verdorbene Pastete gegessen, es spricht jedoch vieles dafür, dass er vergiftet wurde), schrieb Friedrich II. persönlich einen Nachruf, in dem es hieß: »Die Natur hatte La Mettrie einen Schatz unerschöpflicher natürlicher Heiterkeit verliehen. Er war zum Redner und Philosophen geboren, aber eine noch kostbarere Gabe war seine reine Seele und sein zuvorkommendes Wesen. Wer sich von den Schmähungen der Theologen nicht beeindrucken lässt, betrauert in La Mettrie einen ehrbaren Menschen und fähigen Arzt.«
    Dennoch zog La Mettrie, der »amoralische Atheist«, der sich über alle moralischen Schamgrenzen hinwegsetzte und nicht nur den Herren, sondern auch den

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