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Leichenblässe

Titel: Leichenblässe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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schnaufend und drückte fester zu.
    Gardner zerrte mit angeschwollenem Gesicht an dem Arm, der seinen Hals umschloss, aber er hatte nicht die Kraft, sich zu befreien.
     Als er eine Hand senkte und nach seiner Waffe tastete, kam Hoffnung in mir auf. Doch da sein Gehirn zu wenig Blut und Sauerstoff
     bekam, verlor er bereits das Bewusstsein und die Koordination. Seine Hand fiel schlaff zur Seite.
    Gebeugt unter Gardners Gewicht, deutete Kyle mit einer ruckartigen Kopfbewegung zu dem Behandlungszimmer, in dem wir Sam gefunden
     hatten.
    «Da rein!»
    Ich versuchte noch immer, einen klaren Kopf zu bekommen. Wie lange würde es laut Gardner dauern, bis seine Kollegen eintrafen?
     Fünfzehn, zwanzig Minuten?
Und wie lange war
es her, dass er das gesagt hatte?
Ich konnte mich nicht erinnern. Die Spiegelscherben knirschten unter meinen Schuhen, als ich automatisch einen Schritt in
     Richtung des kleinen Raumes machte. Dann sah ich den Massagetisch, dessen geöffnete Lederriemen nur auf mich zu warten schienen.
    Ich blieb stehen.
    «Rein da!
Sofort!
», brüllte Kyle. «Sonst töte ich ihn!»
    Ich musste meine Lippen befeuchten, ehe ich antworten konnte. «Sie werden ihn doch sowieso töten.»
    Er starrte mich an, als hätte ich eine andere Sprache gesprochen. Die Blässe in seinem Gesicht war jetzt noch deutlicher zu
     erkennen. Im Kontrast zu den schwarzen Bartstoppeln und den Blutergüssen unter den Augen war es kreideweiß. Ein schmieriger,
     an Vaseline erinnernder Schweißfilm überzog |392| seine Haut. Er trug eine Art Sanitäteruniform, allerdings war sie so verschmutzt, dass man sie nicht genau erkennen konnte.
    Sie hätte auch als Uniform eines Wachmanns durchgehen können.
    «Gehen Sie!» Kyle zog mit einem Ruck seinen Arm um Gardners Hals enger zu und schüttelte den TB I-Agenten wie eine Puppe. Ich konnte nicht erkennen, ob er noch atmete, aber sollte der Druck länger aufrechterhalten werden, würde
     er Hirnschäden davontragen, selbst wenn er überlebte.
    Ich bückte mich und hob eine Spiegelscherbe auf. Sie war lang und dünn wie ein Messer. Die Kanten gruben sich in meine Hand,
     als ich sie fest umklammerte und hoffte, dass er nicht sah, wie ich zitterte.
    Kyle beobachtete mich nervös. «Was machen Sie da?»
    «Lassen Sie ihn atmen.»
    Er versuchte zu schnauben, doch es klang so brüchig, wie sich die Spiegelscherbe anfühlte. «Glauben Sie, Sie können mir damit
     etwas tun?»
    «Ich weiß es nicht», gab ich zu. «Aber wollen Sie es herausfinden?»
    Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Kyle war ein großer Mann und kräftig gebaut.
Genauso wie York
. Wenn er Gardner fallen ließ und sich auf mich stürzte, hätte ich bestimmt keine Chance. Doch sein Blick richtete sich wieder
     auf die Scherbe in meiner Hand, und ich sah die Unsicherheit in seinen Augen.
    Er löste den Würgegriff ein wenig, sodass Gardner schnaufend nach Atem ringen konnte, drückte aber sofort wieder zu. Ich sah,
     wie er einen kurzen Blick zur Tür warf.
    «Wenn Sie ihn loslassen, verspreche ich Ihnen, Sie nicht aufzuhalten.»
    |393| Kyle lachte krächzend auf. «Mich
aufhalten
? Sie wollen mir Ihre
Erlaubnis
geben?»
    «Seine Kollegen werden jeden Augenblick hier sein. Wenn Sie jetzt gehen, könnten Sie vielleicht   …»
    «Damit Sie ihnen erzählen, wer ich bin? Halten Sie mich für blöd?»
    Man konnte ihm eine Menge vorhalten, aber das nicht.
Und jetzt?
Ich wusste nicht mehr weiter. Aber ich glaube, ihm erging es nicht anders. Er atmete schwer und war sichtlich erschöpft davon,
     Gardner außer Gefecht zu setzen. Im Augenwinkel konnte ich die Pistole am Gürtel des Agenten sehen. Kyle hatte bisher offenbar
     noch nicht daran gedacht.
    Aber wenn   …
    Lass ihn weiterreden
. Ich deutete auf Yorks Leiche. «Haben Sie es genossen, ihn so zu quälen?»
    «Sie haben mir keine Wahl gelassen.»
    «Er war also nur eine
Ablenkung
? Sie haben ihm das angetan, um selbst davonzukommen?» Ich bemühte mich nicht, meine Verachtung zu verbergen. «Und dann hat
     es nicht einmal funktioniert, oder? Es war alles umsonst.»
    «Glauben Sie, das
weiß
ich nicht?» Der Schrei ließ ihn zusammenzucken, als hätte er Schmerzen. Er starrte finster auf die Leiche des Bestattungsunternehmers.
     «Mein Gott, haben Sie eigentlich eine Ahnung, wie viel
Zeit
ich in diese Sache investiert habe? Wie viel
Planung
? So sollte es jedenfalls nicht ausgehen! York war mein Ausweg, meine Möglichkeit zu einem Happy End! Er wäre mit Averys Frau
     gefunden

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