Leichenblässe
gestillt hatte, eingeschlafen
war. «Als wäre ein Vorhang davorgezogen worden. Paul hat Angst, dass ich es nur verdränge, aber das stimmt nicht. Es ist eher
so, als wenn das, was danach passiert ist, wichtiger ist, verstehst du?» Sie hatte das verschrumpelte, rosafarbene Gesicht
ihres Sohnes betrachtet, schaute mich dann aber mit einem so offenen Lächeln an, dass es mir das Herz brach. «Das Schlimme
spielt irgendwie keine Rolle mehr. Das Gute hat alles andere weggewischt.»
Paul fiel es offenbar am schwersten, mit den Ereignissen fertig zu werden. In den Tagen danach wirkte er häufig in sich versunken.
Man musste kein Psychologe sein, um zu wissen, dass er die Schrecken nacherlebte und noch immer entsetzt darüber war, was
alles hätte geschehen können, wenn wir nicht in letzter Sekunde gekommen wären. Doch sobald er bei seiner Frau und seinem
Sohn war, heiterte sich sein Gesicht auf. Es war noch etwas früh, aber als ich die drei zusammen gesehen hatte, war ich mir
sicher, dass die Wunden heilen würden.
Mit der Zeit heilen sie immer.
Mein Tee war kalt geworden. Ich stand seufzend auf und ging zum Telefon, um die Nachrichten abzuhören.
«Dr. Hunter, Sie kennen mich nicht, aber ich habe Ihre
Nummer von Detective Superintendent Wallace erhalten.
Mein Name ist …»
Der Rest wurde von der Türklingel übertönt. Ich hielt das Band an und ging zur Tür. Das letzte Tageslicht erfüllte die |414| kleine Diele mit einem goldenen Schimmer. Als ich an die Türklinke griff, überkam mich plötzlich ein Déjà-vu-Gefühl.
Eine junge Frau mit Sonnenbrille steht draußen in der
Abendsonne. Ihr Lächeln wird zu einem Zähnefletschen, als
sie in ihre Tasche greift und das Messer herauszieht …
Ich schüttelte den Kopf und verscheuchte die Bilder. Ich straffte die Schultern, entriegelte die Tür und riss sie auf.
Eine ältere Frau strahlte mich an. «Ach, Dr. Hunter, Sie sind es! Ich hatte Geräusche gehört und wollte mich nur vergewissern, dass alles in Ordnung ist.»
«Alles bestens, danke, Mrs. Katsoulis.» Meine Nachbarin wohnte in der Wohnung über mir. Vor der Attacke im vergangenen Jahr hatte ich kaum mit ihr gesprochen,
aber seitdem fühlte sie sich zur Wachsamkeit berufen. Mit all ihren hundertfünfzig Zentimetern.
Sie schien noch etwas auf dem Herzen zu haben und spähte durch die Diele ins Wohnzimmer, wo meine Taschen darauf warteten,
ausgepackt zu werden.
«Ich habe Sie eine ganze Weile nicht gesehen. Haben Sie sich einen schönen Urlaub gegönnt?»
Sie starrte erwartungsvoll zu mir hoch. Ich merkte, wie mein Mund zuckte, und musste ein Lachen unterdrücken.
«Ich war nur beruflich unterwegs», sagte ich. «Aber jetzt bin ich wieder hier.»
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|415| DANKSAGUNG
Leichenblässe
ist ein Roman, die
Anthropology Research
Facility
in Tennessee existiert jedoch im Wesentlichen so, wie sie dargestellt wird. Mein Dank gilt deshalb Professor Richard Jantz,
dem Direktor des Instituts für Forensische Anthropologie in Knoxville, für die Erlaubnis, das Institut zum Schauplatz meines
Romans zu machen, sowie für seine Hilfe in technischen Dingen. Dr. Arpad Vass hat meine Fragen wie immer schnell beantwortet und großzügig sein Forschungsgebiet Tom Lieberman geliehen. Kristin
Helm von der Pressestelle des Tennessee Bureau of Investigation war eine Quelle wertvoller Informationen.
Dank an meine Agenten Mic Cheetham und Simon Kavanagh, an Camilla Ferrier und alle Mitarbeiter der Marsh Agency, an Simon
Taylor und das Team von Transworld, an Caitlin Alexander von Bantam Dell, an Peter Dench, Jeremy Freeston, Ben Steiner und
SCF. Außerdem möchte ich meiner Schwester Julie und Jan Williams danken, ohne die das Schreiben dieses Buches mit Sicherheit wesentlich
länger gedauert hätte: Als jemand, der nun vollständig vom chronischen Erschöpfungssyndrom geheilt ist, kann ich jedem, der
darunter leidet, den «Lightning Process» empfehlen.
Schließlich, wie immer, ein riesiger Dank an meine Frau Hilary. Ohne sie hätte ich es nie geschafft.
Simon Beckett,
2008
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Informationen zum Buch
Bei seinem letzten Einsatz ist der forensische Anthropologe David Hunter nur knapp dem Tod entronnen. Von einer vollständigen
Genesung ist er weit entfernt, ihn quält die Frage, ob er seinem Beruf noch gewachsen ist. Zunächst sagt David alle neuen
Aufträge ab, dennoch kommt er nicht zur Ruhe. Er beschließt, einen Forschungsaufenthalt auf der
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